Diese bunten Punkte sehen vielleicht ganz lustig aus, sind sie aber überhaupt nicht. Jedes grüne Viereck zeigt ein wartendes Frachtschiff vor dem weltweit größten Containerhafen Shanghai am 27.4.22. Die Abwicklung stockt derzeit massiv durch den Lockdown, was zu massiven Verspätungen führt. Es werden 40% weniger Schiffe abgefertigt. Auch in der Nordsee warten inzwischen Schiffe auf die Abfertigung auf einem der vier Containerterminals in Hamburg. Die Blockade des Suezkanals im März 2021 durch ein einziges Schiff für 6 Tage hatte bereits zu sehr starken Beeinträchtigungen geführt.
Zusätzlich zu den Problemen der Warenverfügbarkeit bei wichtigen Agrargütern durch den Ukrainekrieg kommt jetzt eine zweite Krise wieder verstärkt hervor, die wesentlich mehr Waren betrifft und auch mehr Gewicht hat als der Ausfall der Ukraine und von Russland als Bezugsland. Zwei Krisen verstärken sich in ihren Auswirkungen. Die Folgen mit höheren Produktpreisen müssen alle Konsumenten tragen.
Der Handel muss sich darauf einstellen. Die ohnehin schon angespannte Warenverfügbarkeit bei Listung und Aktion wird noch schwieriger sicherzustellen. Dies betrifft die gängigsten Warengruppen bei Non-Food von Schuhen bis zu Elektronik, aber auch viele Food-Warengruppen wie Tomaten und Apfelsaftkonzentrat. Die maritimen Lieferketten bleiben gestört, auch für die nächsten Monate. Da kann bei Lieferanten mit CIF oder DDP-Lieferkonditionen nicht mehr auf eine feste Lieferwoche wie in der Vergangenheit gepocht werden. Die Planbarkeit ist nicht nur bei den Einkaufs- und Logistikkosten, sondern auch bei den Lieferzeitpunkten nicht mehr gegeben. Bei FOB-Käufen durch die großen Händler liegt das Risiko dann zwar nicht mehr bei dem Zwischenhändler, sondern beim Einzelhändler. Aber sollte hier gerade Saisonware zu spät eintreffen ist möglichweise eine Einlagerung für fast ein ganzes Jahr erforderlich. Auch ist nicht sichergestellt, dass die gesamte Ware eintrifft und ausreichend verfügbar ist.
Die maritimen Lieferketten sind massiv gestört. Hier einige wichtige Facts zu den „Autobahnen“ der Globalisierung.
- 90% des Welthandels erfolgen per Schiff
- Der Schiffsverkehr ist verantwortlich für 2,6% der weltweiten CO2-Emissionen
- Die Zuladung bei einem 20 TEU-Container beträgt 21,7 t bei 33 m3 Volumen, z.B. 21 t Rohkaffee aus dem dann 18 t Röstkaffee für 2,5 Mio. Tassen Kaffee gebrüht werden können oder 8.000 Sportschuhe, 5 Mio. Zigaretten
- Von den 10 größten Containerhäfen liegen 7 in China: Shanghai (Platz 1: 43,5 Mio. TEU), Ningbo (Platz 3: 28,7 Mio. TEU), Shenzhen (Platz 4: 26,5 Mio. TEU), Guangzhuo (Platz 5: 23,2 Mio. TEU), Qingdao (Platz 6: 22 Mio. TEU), Tianjin (Platz 8: 18,3 Mio. TEU), Hongkong (Platz 9: 18 Mio. TEU) (Zahlen aus 2020)
- Rotterdam als größter Hafen in Europa liegt auf Platz 11 (14,4 Mio. TEU)
- Hamburg kommt auf einen Umschlag von 8,7 Mio. TEU in 2021, wichtigster Handelspartner der deutschen Seehäfen ist das Wirtschaftszentrum Shanghai, 51,5% der Container werden anschließend per Zug weitertransportiert, mit China gibt es 18 Containerliniendienste mit festen Fahrplänen
- Die Top 10 Reedereien kommen aus China (Cosco, Zhonggu), Israel (Zim), Taiwan (Wan Hai, Evergreen), Japan (One), Deutschland (Hapag-Lloyd), Frankreich (CMA CGM), Schweiz (MSC) und Dänemark (Maersk), die Schiffe sind im Eigenbesitz oder für eine gewisse Zeit gechartert
- Die größte Reederei der Welt Maersk erzielte in 2021 bei 13,1 Mio. transportierten Containern einen Umsatz von 61,8 Mrd. USD, eine EBIT-Marge von 37,2% gegenüber 6% unter normalen Marktbedingungen, 18 Mrd. USD Gewinn nach Steuern mit einem neuen Rekordergebnis
- Die Ever Ace von Evergreen ist mit 400m Länge und 61,5 m Breite nach Kapazität das größte Containerschiff der Welt und kann 24.000 TEU transportieren
- Der Shanghai Containerized Freight Index ist Maßstab für die Transportkosten in allen wichtigen Fahrgebieten, am 22.4.22 liegt der Index mit 4195 unter dem Hoch von über 5000 kurz zu Beginn von 2022 und weit über dem Sommer 2020 mit knapp über 2500
- Im März 2022 kostet ein 40-ft- Container von Shanghai nach Rotterdam 12.200 USD gegenüber nur 2.000 USS im Januar 2020, im Oktober 2021 wurde der Höchstwert erreicht mit 14.800 USD, auf sehr hohem Niveau eine leichte Entspannung
- Handelsunternehmen investieren in eigene Kapazitäten im Seetransport (Lidl, IKEA und Wal-Mart)
- Alternativ zum Schiff gibt es die neue Seidenstraße besonders für zeitkritische Produkte, eine Zugverbindung über 12.000 km und 20 Tagen Transportzeit von Hamburg zu 290 Zielen in China, auch der Duisburger Hafen baut seine Verbindung nach China aus, die Zugstrecke führt jedoch durch Russland und wird derzeit eher gemieden