Als die Anführer der so genannten BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika im August zu einem Gipfeltreffen in Johannesburg zusammentrafen, stand das Thema neue Weltwährungsordnung zwar nicht auf der offiziellen Tagesordnung, es war aber der berühmte Elefant im Raum. Schon seit längerem ist es ein erklärtes Ziel der BRICS-Staaten, die Dominanz des US-Dollar bei grenzüberschreitenden Transaktionen zu beenden. Zur Verdeutlichung: rund 90 Prozent des internationalen Devisenhandels werden in Dollar abgewickelt. Um zu verstehen, warum die dominierende Stellung des US-Dollar den aufstrebenden Ländern ein Dorn im Auge ist, lohnt ein kurzer Blick in die Geschichte.
Unter Ökonomen ist weitgehend unumstritten, dass die Abwertungswettläufe in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Weltwirtschaftskrise verschärften und verlängerten. Vor diesem Hintergrund schufen die westlichen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg eine globale Währungsordnung mit dem US-Dollar als Leitwährung. Dies geschah zunächst offiziell im Rahmen des Festkurssystems von Bretton Woods. Obwohl in den 70er Jahren diese Wechselkursordnung zusammenbrach, blieb der US-Dollar aber die faktische Weltwährung, über die ein Großteil des internationalen Warenhandels sowie der Finanztransaktionen abgewickelt wurde.
Was war die Konsequenz: Alle Länder, die am internationalen Wirtschaftsgeschehen teilhaben wollten, waren auf den Dollar angewiesen. Der einfachste Weg, um an die amerikanische Währung zu gelangen, war es, den USA Güter zu verkaufen und sich in Dollar bezahlen zu lassen. Salopp formuliert: Die Amerikaner druckten sich Dollar und konnten damit weltweit auf Einkaufstour gehen. Kritiker sprachen schon früh von einem „exorbitanten Dollar-Privileg“. Die USA waren somit das einzige Land, dessen Währung gleichzeitig nationales und internationales Zahlungsmittel war. So konnten sie ihre Leistungsbilanzdefizite problemlos finanzieren.
Dass gerade der US-Dollar eine solch herausragende Stellung bekam und das Britische Pfund als das internationale Zahlungsmittel ablöste, hatte natürlich viel mit der alles überragenden wirtschaftlichen Stellung der USA in der Nachkriegszeit zu tun. Doch mit der Öffnung Chinas und anderer vormaliger Entwicklungsländer begannen sich insbesondere seit den 90er Jahren die Gewichte in der Weltwirtschaft deutlich zu verschieben. Heute entfallen laut IWF auf die USA rund 16 Prozent der kaufkraftbereinigten globalen Wirtschaftsleistung, auf die 5 BRICS-Länder ca. 32 Prozent. Deshalb überrascht es auch nicht, dass diese den USA ihr Privileg streitig machen wollen. Hinzu kommt, dass die USA den Dollar auch als politisches Druckmittel einsetzen, wie jüngst Russland nach seiner Invasion in die Ukraine schmerzhaft erfahren musste, als Dollar-Guthaben der russischen Notenbank eingefroren wurden.
Doch den Dollar zu kritisieren und seine Abschaffung als globale Leitwährung zu fordern, ist das eine. Eine geeignete Alternative zu ihm zu finden, ist jedoch noch einmal etwas ganz Anderes. Zwar kursieren für diese schon Namen wie „Bric“ oder R5 (da alle Währungen der Brics-Länder mir R beginnen: Renminbi, Rupie, Real, Rubel und Rand). Konkrete Pläne zur Umsetzung gibt es bislang jedoch nicht, da zunächst mannigfaltige Hindernisse zu überwunden sind:
- Um des Status einer globalen Währung zu bekommen, müssten zunächst Kapitalverkehrskontrollen von Seiten der beteiligten Länder vollständig abgeschafft werden. Speziell China möchte die Kontrolle über grenzüberschreitende Kapitalströme behalten, um Kapitalflucht oder Finanzkrisen sowie Instabilitäten infolge von Währungsschwankungen verhindern zu können.
- Welche praktischen Probleme auftreten, wenn unabhängige Staaten in Währungsfragen eng kooperieren, wissen die Europäer aus leidvoller Erfahrung mit ihrem Euro. Da die BRICS-Staaten noch erheblich größere politische, wirtschaftliche und kulturelle Unterschiede aufweisen als die Euro-Mitglieder, dürften die auftretenden Probleme eher noch gravierender werden.
- Zwischen den BRICS-Ländern gibt es politische Konflikte, die einem gemeinsamen Währungsprojekt von vornherein entgegenstehen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang beispielsweise an die ungelösten Grenzkonflikte zwischen Indien und China im Himalaya.
Summa summarum ist es nachvollziehbar, dass viele aufstrebende Länder an der aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Dominanz des Dollar rütteln. Das letzte Wort haben in Währungsfragen aber immer die wirtschaftlichen Akteure. Das wichtigste Gut einer Währung ist Vertrauen. Solange ein solches aber einer neu geschaffenen Leitwährung nicht entgegengebracht wird, sind alle politische Ambitionen in diese Richtung zum Scheitern verurteilt. Ein Investor oder Händler will stets sichergehen, dass die für Transaktionen eingesetzte Währung als globales Zahlungsmittel und Wertaufbewahrungsmedium geeignet ist. Jede ernst zu nehmende Alternative zum US-Dollar wird sich daran messen lassen müssen. In Sicht ist jedenfalls noch keine.
Oder frei nach Mark Twain: Alle Berichte über das Ableben des Dollar sind stark übertrieben…