Die so genannten BabyBoomer sind üble Gesellen – weiblich wie männlich. Als die geburtenstärksten Jahrgänge wurden sie in den 50er Jahren bis Mitte der 60er Jahre geboren und traten ab Anfang der 70er Jahre in den Arbeitsmarkt ein. Profitiert haben sie von der Aufbauleistung der Nachkriegsgeneration. Die Staatsverschuldung war niedrig, die Sozialversicherungssysteme auskömmlich finanziert. Der Zustand der Umwelt war deutlich besser als heute, vom Klimawandel war noch nicht die Rede.
An dem der Rentenversicherung zugrundeliegenden Generationenvertrag haben sie sich trotz günstigen Umfelds nur bedingt gehalten: Zwar haben die Boomer während ihrer aktiven Zeit die Renten der vorherigen Generation finanziert und damit den einen Teil ihrer Pflicht erfüllt. Den anderen Teil ihrer vertraglichen Verpflichtung, nämlich ausreichend Kinder in die Welt zu setzen, um die Grundlage für den eigenen Rentenbezug zu schaffen, wurde indes sträflich vernachlässigt. Die Rente der Boomer soll von Kindern bezahlt werden, die von ihnen nie in die Welt gesetzt wurden!
Inzwischen ist ein nennenswerter Teil der Boomer bereits in Rente (in vielen Fällen bereits deutlich früher als im offiziellen Renteneintrittsalter vorgesehen). Ein noch größerer Schwung wird in den nächsten Jahren folgen. Bereits heute reichen die Rentenbeiträge jedoch nicht aus. Rund 100 Mrd. Euro Steuergelder müssen der Gesetzlichen Rentenkasse jährlich zugeschossen werden, damit sie ihre Zahlungsversprechungen halten kann, Tendenz steigend. Es gibt drei naheliegende Stellschrauben innerhalb der Gesetzlichen Rentenversicherung, um die Finanzprobleme in den Griff zu bekommen: Kürzung der Renten, Erhöhung der Rentenbeiträge oder Verlängerung der Lebensarbeitszeit (sowie Kombinationen daraus). Aus Sicht der Politik sind alle drei Lösungsansätze wenig verlockend, da jeweils große Wählergruppen verprellt werden. Daher ist mit einem fortgesetzten Durchwursteln in der Rentenpolitik zu rechnen, gestützt auf weiter steigende Steuerzuschüsse. Wer die Zeche zahlt – vermutlich größtenteils nicht die Boomer…
Beim zweiten großen Generationenprojekt, der Staatsverschuldung, sieht es nicht viel besser aus. Die voraussichtlich neue Bundesregierung aus Union und SPD, gewählt vor allem von den Boomern, wird den Großteil der unzweifelhaft notwendigen Verteidigungsausgaben auf Pump finanzieren. Ausgaben für die äußere Sicherheit können nach der kürzlich beschlossenen Grundgesetzänderung oberhalb eines Wertes von einem Prozent des BIP über Kredite bezahlt werden. Da die künftigen Verteidigungsausgaben vermutlich eher bei drei Prozent des BIP (oder sogar darüber) liegen werden, wird ein Großteil der ökonomischen Last auf die zukünftige Generation verschoben, obwohl alle Nutznießer sind.
Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Damit die Boomer ihren Lebensabend in Frieden und Freiheit genießen können (und ihre Rente nicht in Rubel ausbezahlt wird), lässt man einseitig die Jüngeren finanziell bluten. Schulden, das wird leicht vergessen, müssen zukünftig über höhere Steuern bedient werden, von der Belastung durch höhere Zinszahlungen einmal ganz abgesehen.
Nicht anders verhält es sich mit dem 500 Mrd. Euro teuren Investitionsfonds, der beschönigend als Sondervermögen bezeichnet wird. Investitionen über Kredite zu finanzieren, ist aus ökonomischer Sicht zunächst nicht zu kritisieren. Wenn die Investitionen dazu führen, dass das Wirtschaftswachstum zunimmt, gibt es einen gewissen Selbstfinanzierungseffekt (ähnlich der Rentabilität privater Investitionen). Auch im Sinne der Generationengerechtigkeit kann es sinnvoll sein, nicht die gegenwärtige Generation mit den gesamten Kosten einer Investition zu belasten, sondern einen Teil der Last via Kreditaufnahme in die Zukunft zu verschieben. Dies gilt aber dann nicht, wenn die heute frei gewordenen Mittel für Gegenwartskonsum verbraucht werden. Und danach sieht es bei den Koalitionsverhandlungen gerade aus: Im Raum steht unter anderem eine Erhöhung der Mütterrente (die Boomer lassen grüßen!), eine Verringerung des Mehrwertsteuersatzes für Restaurantbesucher (die heutigen Gutverdiener, viele davon aus der Boomergeneration, freuen sich) und eine Erhöhung der Pendlerpauschale. Um es auf den Punkt zu bringen: Es geht nicht darum, die Ausgaben für Verteidigung und Investitionen grundsätzlich in Frage zu stellen. Gefragt werden muss aber schon, wer die Rechnung schließlich bezahlt. Und da ist eine erhebliche Unwucht zu befürchten.
Warum das so ist, kann über die Logik des politischen Prozesses erklärt werden. Um die Boomer nicht zu beunruhigen oder zu verärgern, indem man ihren Lebensstandard einschränkt, verringert man einfach den Lebensstandard in der Zukunft. Politisch deswegen durchsetzbar, weil die künftigen Beitragszahler noch nicht geboren oder wahlberechtigt sind bzw. ob ihrer geringen Grundgesamtheit eine zu vernachlässigende Wählergruppe darstellen. Anders die Boomer: Sie sind viele und gehen auch fleißig zur Wahl. Mit ihnen sollte man es sich als Politiker nicht verscherzen…
PS: Der Autor dieses Blogs ist Mitglied der Boomer-Generation.