China ist der größte Beschaffungsmarkt für Konsumgüter, da wird auch immer wieder Hongkong als Hub für den Warenbezug genannt. Welche Händler sind denn hier vor Ort und welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden? Und wie sieht die Zukunft aus? Hier dazu Facts und Einschätzungen.
Lidl & Kaufland Asia sourcen in 13 Ländern Asiens in den Warengruppen Textil, Heimtextilien, Schuhe, Hardwaren von DIY bis hin zu Elektro und Food. Letztere soll weiter ausgeweitet werden. Damit werden bei Nonfood alle wichtigen Warengruppen für die Vermarktung von Eigenmarken neben dem Einkauf über Importeure auch über die eigene Organisation eingekauft. Insgesamt 1000 Mitarbeiter arbeiten in den Einkaufsbüros in Singapur (Headquarter), China und Bangladesch. [1]
Aldi Hongkong wurde im Mai 2009 für den Direkteinkauf und zur Absicherung der CSR-Maßnahmen und Transparenz in der Lieferkette gegründet. Organisatorisch gehört die Asientochter zum internationalen Einkauf von Aldi Süd in Salzburg.[2] Relativ offen werden der Code of Conduct und Compliance-Richtlinien für neue und bestehende Lieferanten dargelegt.[3] Erst nach 5 Jahren Präsenz in Asien wurde ab 2014 auch für den Markt in Australien eingekauft, um diese dann zu den üblichen Konditionen an die jeweiligen Landesgesellschaften weiterzuverkaufen.[4] Im Herbst 2024 kam dann der nur logische Schritt zu einer Bündelung des Nonfood-Einkaufs von Aldi Süd in Mühlheim bei International Buying (IB). Die Reaktion erfolgt erst spät und in schwierigen Zeiten, die sehr hohen Umsatzanteile bei Aldi Süd und Hofer sind Historie und die niedrigeren Mengen machen sich in den Einkaufspreisen bemerkbar. Damit nähern sich die Mühlheimer dem Wettbewerber Lidl an, wo die nationalen Einkäufe auch nur Mengen, Werbung und Verkaufspreise bestimmen. Der Zentraleinkauf definiert die Artikelspezifikationen und Qualitäten. Die Einkaufsorganisation wird auf 500 Mitarbeiter geschätzt.[5]
Die REWE-Gruppe kauft seit April 2012 über Ihre REWE-Fareast gemeinsam für REWE, Penny, Billa und toom ein. Es gibt mit Nähe zu den Beschaffungsmärkten Büros in Hongkong, Shanghai, Bangkok, Istanbul und neu auch in Ho Chi Min City. In den 5 Einkaufsbüros gibt es jeweils eigene Qualitätsabteilungen.[6] Neben den klassischen Nonfood-Einkaufsmärkten China, Indien, Pakistan und Bangladesch wird auch in Vietnam, Taiwan, Kambodscha, Malaysia und in Sri Lanka sowie Neuseeland eingekauft. Zu Beginn wurde wie auch bei den Wettbewerbern mit wenig komplexen Artikeln wie z.B. Textilien begonnen.[7]
Der Hamburger Kaffeeröster Tchibo sieht in seiner Tchibo Merchandising Hong Kong LP eine wesentliche Quelle für Kreativität und Innovation im Sourcing. Merchandiser managen den gesamten Sourcing-Prozess bis zur Inspektion und Verschiffung. Auch Themen wie Nachhaltigkeit, Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung sind wichtige Bausteine zur Absicherung von Risiken.[8] Der 1997 von Tchibo übernommen Kaffee-Händler Eduscho aus Bremen hat bereits in den 8oer Jahren erste Nonfood-Artikel neben Kaffee verkauft und dieses Geschäft immer weiter ausgebaut, um in den 90ern auch die rückläufigen Kaffeeumsätze zu kompensieren.[9] Nicht nur das Verkaufskonzept mit Produkten des täglichen Bedarfs war damals innovativ, sondern auch das Sourcing. Die Produkte wurden über Hongkong FOB eingekauft, um die Einkaufsvorteile konsequent zu nutzen.
Die EDEKA-Gruppe als größter Lebensmittelhändler hat in seinem Nonfood-Geschäft bis 2024 nur auf Markenhersteller und für die Eigenmarken auf Importeure gesetzt. Seit 2024 setzt man bei der EDEKA mit der Everest Asiahub auf die Kooperation mit Super U, Jumbo und Picnic. Da alle Partner kein nennenswertes Nonfood-Geschäft haben, wird hier der Bezug von Food im Fokus liegen wie z.B. ganz klassisch Konserven. Die Kooperation wird erweitert um die Migros, die sich derzeit umfangreich aus dem Nonfood-Geschäft zurückzieht, aber noch ein Büro in Hongkong mit 90 Mitarbeitern unterhält. Insofern wird hier versucht durch die Zusammenlegung der Mengen Economies of Scale zu nutzen. Jeder Partner mit seiner Nischen- oder sogar Rückzugsstrategie alleine wäre für ein effizientes Direktsourcing viel zu klein.[10] Erwartet werden mit zweitstelligen Reduzierung der Einkaufspreise[11] sehr ambitionierte Ziele, da die Größenvorteile bei Nonfood nicht mehr so ausgeprägt sind wie jeder Preis- und Mengenvergleich auf der Plattform Alibaba zeigt. Die Migros ist bereits seit Mitte der 90er in Hongkong vor Ort präsent, mit einer Einkaufsorganisation in Hongkong und auch in Indien. Eingekauft werden jährlich über 10.000 unterschiedliche Produkte von Hartwaren, Textilien bis hin zu Food.[12]
Zusätzlich zu den eigenen Einkaufsorganisationen werden Waren aus Food, Fashion und Elektronik immer noch über spezialisierte, größere und auch kleinere Importgroßhändler eingekauft wie z.B. die Wünsche Gruppe (1200 Mitarbeiter mit Sourcing aus 26 Ländern)[13], Wachsmuth & Krogmann (38 Mitarbeiter in 3 Einkaufsbüros)[14], Medion (gehört seit 2011 zu Lenovo)[15] und Delta Sport. Diese arbeiten teilwiese für einen Einzelhändler exklusiv. Dadurch wird für den eigene Einkauf eine Wettbewerbssituation geschaffen und die Innovationskraft dieser Spezialisten genutzt.
Mit dem Eigenimport werden nicht nur wesentliche Handelsfunktionen sondern auch Risiken bei den Wechselkursen, in der Lieferkette, in den Produktionsländern und bei der Qualität selber übernommen. Auch die Finanzierung der Importe über Akkreditive ersetzt die sonst üblichen Lieferantenkredite bei Nonfood mit sehr langen Zahlungszielen. Dem gegenüberstehen die Kontrolle und Transparenz in der Lieferkette. Auch wird die Absicherung der sozialen Qualität der Produktion als wichtiges Kriterium des Weges in die Beschaffungsmärkte gesehen. Diese Transparenz wird jedoch nicht mit einer niedrigeren Wirtschaftlichkeit erkauft. Angestrebt werden bessere Einkaufskonditionen.[16]
Die Handelsfunktionen einer Einkaufsorganisation lassen sich sehr gut bei der Metro-Sourcing Tochter in Hongkong beschreiben, da diese Dienstleistungen nicht nur für die eigene Gruppe, sondern auch Dritten angeboten wird. Die Produktrange ist dabei sehr groß von Food über Nearfood bis zu Nonfood. Die Metro hat im Vergleich mit den anderen genannten Händlern in diesem Blog schon 1976 in Hongkong begonnen und unterhält heute Büros in den Märkten China, Vietnam, Türkei und Deutschland. Das gesamte Sourcing vom strategischen Einkauf mit der Länder- und Produzentenauswahl bis zur operativen Abwicklung wird gerade für Dritte ein Komplettprogramm angeboten. Im Ergebnis erzielen diese laut Metro bessere Preise, bessere Produkte und haben bezüglich sozialer Arbeitsbedingungen und Qualitätssicherung eine gute Absicherung. Diesem „Create value“ werden natürlich entsprechende Kosten für die Dienstleitungen entgegenstehen. [17]
Für die Einkaufsorganisationen haben sich über die Jahre die Beschaffungsmärkte verändert und es sind neue Märkte hinzugekommen, aber auch wieder ausgeschieden (z.B. Myanmar). Derzeit sind diese Einkaufsfirmen durch die Veränderungen in den Absatzmärkten massiv betroffen. So ist Aldi erst spät nach Fernost gegangen nachdem die Aktionsumsätze zurückgehen. Die Migros gibt die Fachhandelskonzepte auf und benötigt ebenfalls Einkaufsmengen von anderen Händlern. Diese Organisationen haben hohe Fixkosten für Mieten und Personal (Lidl über 1000 Mitarbeiter!). Von daher ist ein bestimmtes Einkaufsvolumen erforderlich. Da die Konsumenten sich bei Nonfood weiterhin, bedingt durch eine anhaltende Konsumzurückhaltung, allgemein zurückhalten und zusätzlich auch noch die Einkaufskanäle hin zu Nonfood-Discountern und chinesischen Plattformen wie temu und Shein wechseln, werden für einzelne Händler die Mengen weiter zurückgehen.
Aufgrund der engen Wettbewerbssituation ist jedoch nur mit weiteren internationalen Kooperationen zu rechnen, wie in 2024 von der Migros mit der EDEKA. Zusätzlich könnten insbesondere kleinere Importeure mit nur einem wenig breiten Produktportfolio und enger Abhängigkeit von großen Einzelhändlern weiter zurückgedrängt werden und auch ausscheiden. Das Spezialwissen dieser Importeure ist ja an Personen gebunden und kann somit leicht wechseln, hin zu den großen Organisationen. Dadurch würde jedoch aber auch die Wettbewerbssituation im Sourcing für die Einkaufsorganisationen abnehmen und die Innovationskraft leiden. Auch für eine Überprüfung der Effizienz in Richtung Kostenoptimierung müssen Einkaufspreise beständig am Markt abgecheckt werden, sonst werden sich die erhofften Einkaufspreise ins Gegenteil wandeln.
Die Experten im Sourcing Committee der German Chamber of Commerce mit der Nähe zu den Beschaffungsmärkten sind in ihren Einschätzungen zu aktuellen Entwicklungen bei dem disruptiven Charakter von temu und Co., sowie der hohen Bedeutung von Daten einer Meinung. Unterschiedlich sind die Perspektiven zur Bedeutung der Einkaufsorganisationen in Hongkong und auf die Bedeutung von Herstellermarken. Gerade bei letzterem gibt es in der Sortimentsausrichtung zwischen den Händlern auch die größten Unterschiede. Das die Canton Fair und weitere Messen in China für das Sourcing an Bedeutung verlieren ist auch nicht verwunderlich, die Messen in Europa haben ja auch mit einem Bedeutungsverlust zu kämpfen. Produktauswahl und Lieferantenkommunikation hat inzwischen viele andere, insbesondere auch digitale Formen angenommen.
Hongkong als Gobal City hat als wichtiger Knotenpunkt für die Einkaufsorganisationen nicht an Bedeutung verloren, auch wenn in einigen Punkten die Connectivity abgenommen hat[18]. Es wird aber nicht ausreichen nur ein Einkaufsbüro in Hongkong zu haben und von diesem aus alle Prozesse in verschiedensten Ländern Asiens zu steuern. In den wichtigsten Beschaffungsmärkte ist eine Präsenz vor Ort als Teil des Produktionsclusters für eine effizientere Kommunikation und auch die Kontrolle der Produktion und der Produkte direkt in den Fabriken sehr wichtig.
Ohne Hongkong und die Einkaufsorganisationen des Handels und der Importeure wäre die Warenversorgung Deutschlands in vielen Warengruppen von Food bis Nonfood gefährdet. Diese Einschätzung Hongkongs wird derzeit nicht mehr richtig eingeordnet. Gerade nach China ist Hongkong weiterhin Gatekeeper für den Informations-, Finanz und Warenfluss. Alle Out-of China Strategien sind nicht umsetzbar, China ist und bleibt bei Manufactoring von Konsumgütern in seinen Produktionsclustern so effizient, dass alle Alternativen schon aufgrund höherer Einkaufspreise keinen wirtschaftlichen Sinn ergeben. Bei einigen Warengruppen wie Fashion und Heimtextil sind auch andere Ländern gute Beschaffungsmärkte, das jedoch schon seit sehr langer Zeit. Aber Elektro und Spielwaren sind weiterhin zu fast 100 % aus China und in der Beschaffung alternativlos und damit auch die Einkaufsorganisationen in Hongkong.
[1] Vgl. https://lidl.asia/about-us
[2] Vgl. https://www.aldi.com.hk/about-aldi/aldi-hong-kong/
[3] Vgl. https://www.aldi.com.hk/ourcompliance/
[4] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/Aldi-Sued-kauft-direkt-in-Asien-106102
[5] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/aktionsware-aldi-sued-buendelt-nonfood-einkauf-179827
[6] Vgl. https://www.rewe-fareast.com/
[7] Vgl. https://www.rewe-fareast.com/company/sourcing-countries/
[8] Vgl. https://www.tchibo.com/hk/departments.html
[9] Vgl. https://coffeenewstomblog.com/2024/03/04/die-eduscho-story/
[10] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/kommentare/kommentar-logischer-schritt-mit-risiken-178979
[11] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/partnerschaft-edeka-baut-mit-migros-einkauf-in-asien-auf-178967
[12] Vgl. https://www.migrosasia.com/
[13] Vgl. https://www.wuenschegroup.de/
[14] Vgl. https://www.wachsmuth-krogmann.com/
[15] Vgl. https://www.medion.com/investor/die_ag/
[16] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/Aldi-Sued-kauft-direkt-in-Asien-106102
[17] Vgl. https://www.metro-sourcing.hk/about-us
[18] Vgl. https://www.knightfrank.com/research/article/2023-04-11-the-top-10-most-connected-cities-2022