Die Diskussion ums Öl hat sich inzwischen um 180 Grad gedreht. Stand bis vor kurzem das klimaschutzbedingte Ende des Ölzeitalters im Zentrum der Debatte, veränderte sich mit der Machtübernahme von Donald Trump der Blickwinkel komplett. Mit (billigem) Öl soll wieder Geopolitik betrieben, die Inflation reduziert und das Wirtschaftswachstum stimuliert werden.
Zu den ersten Amtshandlungen des neuen US-Präsidenten gehörten Maßnahmen zur Umsetzung seiner Energieagenda. Auf Grundlage so genannter executive orders erklärte er den nationalen Energienotstand, um unter anderem Energieinfrastrukturprojekte leichter durchsetzen zu können. Er verkündete den Austritt aus dem Pariser Weltklimaabkommen und damit die Rücknahme der eingegangenen Klimaverpflichtungen. Anreize für die Produktion und die Verwendung umweltfreundlicher Energie werden abgebaut. Die Förderung von Erdgas und Erdöl im eigenen Land wird wie im Wahlkampf vielfach versprochen – „drill, baby, drill“ lautete der dazu gehörige Slogan – begünstigt, unter anderem durch die geplante Aufhebung des Bohrverbots in Küstengewässern. Die Weltmarktposition der USA, die bereits heute das größte Ölförderland sind, soll damit weiter gestärkt werden.
Kurzfristig dürften die angekündigten Maßnahmen wohl kaum nennenswerten Einfluss auf den globalen Rohölmarkt haben. Bis die USA ihre Ölförderkapazitäten in größerem Umfang ausgebaut haben, dürften mindestens Monate vergehen – wenn es überhaupt im gewünschten Umfang dazu kommt. Die amerikanische Ölindustrie ist im Gegensatz beispielsweise zu russischen oder saudi-arabischen Ölfirmen, die sich wie Rosneft oder Saudi Aramco unter staatlicher Kontrolle befinden, privatwirtschaftlich organisiert. Gefördert wird nur, wenn der Weltmarktpreis (WTI) ausreichend hoch ist, um die relativ hohen Produktionskosten in den USA auch zu decken. Während in Saudi-Arabien die technische Gewinnschwelle (Break-Even) bereits bei einem Preis von ca. 20 Dollar je Barrel (= 159 Liter) erreicht wird, befindet sich der entsprechende Wert für die USA aufgrund des aufwändigeren Fracking-Verfahrens bei mindestens 40 – 50 Dollar, teilweise vermutlich sogar deutlich darüber. Damit dürfte das von dem designierten US-Finanzminister Scott Bessent ausgegebene Ziel einer Steigerung der heimischen Energieproduktion um 3 Millionen Barrel pro Tag kein Selbstläufer werden, sofern nicht von der US-Regierung zusätzliche finanzielle Unterstützung für eine Ausweitung der heimischen Ölproduktion erfolgt.
Hinzu kommt aber, dass der US-Präsident in seiner Video-Ansprache zu den Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums in Davos angekündigt hat, insbesondere mit Saudi-Arabien über eine Ausweitung der Ölproduktion in den OPEC-Ländern zu „sprechen“. Bei einer Lockerung der Förderbeschränkungen des Ölkartells käme der Weltmarktpreis für Öl zusätzlich unter Abwärtsdruck. Es würde sich um ein großes Konjunkturprogramm für die Weltwirtschaft handeln – jedoch mit unkalkulierbaren Folgen fürs Klima.
Leidtragende eines Preisverfalls wären insbesondere diejenigen Länder, die auf hohe Öleinnahmen zur Finanzierung ihrer Staatsausgaben angewiesen sind. Nicht zufällig zählen dazu Russland und der Iran. Die Ankündigung von Trump, den Ukrainekrieg zu beenden, rückt damit in ein ganz anderes Licht. Wegbrechende Einnahmen aus Ölexporten dürften es Russland ökonomisch schwer machen, den Krieg in der Ukraine längerfristig fortzusetzen. Das erinnert ein Stück weit an die zweite Hälfte der 1980er Jahre, als das Sowjetimperium nicht zuletzt aufgrund einer Halbierung des Weltmarktpreises für Rohöl wirtschaftlich massiv unter Druck geriet und schließlich zusammenbrach. An dieser Stelle ist Russland verwundbar.
Im Falle des Irans könnten verschärfend noch strengere Sanktionen für Ölausfuhren hinzukommen. Es bleibt ein erklärtes Ziel der US-Regierung, das iranische Atomprogramm zu stoppen. Der Hebel hierfür wäre verstärkter wirtschaftlicher Druck auf ein Land, das nach den militärischen Niederlagen seiner Verbündeten Hamas und Hisbollah politisch ohnehin angeschlagen ist.
Das Great Game am Ölmarkt ist wieder auf der Tagesordnung. Es bleibt aber zu hoffen, dass das Thema Klimaschutz in diesem Zusammenhang nicht komplett unter die Räder kommt – trotz des Austritts der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Mit einer global sinkenden Ölnachfrage könnte den eigennützigen Akteuren am Weltrohölmarkt zumindest längerfristig ein Schnippchen geschlagen werden.