Viele Arbeitnehmer stehen vor der Herausforderung, berufliche Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite zu führen, sei es, um die Modalitäten ihres Arbeitsvertrags bei einer Neuanstellung zu klären, die Rahmenbedingungen einer Beförderung auszuhandeln oder sich eine höhere Vergütung zu sichern.
Zentrales Merkmal dieser Art von Verhandlungen ist, dass sie im Rahmen einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Zusammenarbeit erfolgen. Das unterscheidet sie von Verhandlungen, die nur einmalig stattfinden (z.B. beim Verkauf eines Hauses), von Konflikten, die sich stillschweigend lösen lassen (z.B. bei der Suche nach einem Sitzplatz in der Bahn) oder von Auseinandersetzungen mit Familienmitgliedern und Freunden (Shell, 2006).
Hart oder soft verhandeln?
In solchen Situationen sehen sich verhandelnde Personen dem vermeintlichen Dilemma ausgesetzt, entweder hart aufzutreten zu müssen, um die eigenen Verhandlungsziele durchzusetzen, oder weich zu agieren, um die Beziehungsebene nicht zu belasten, was letztlich aber zu enttäuschenden Verhandlungsergebnissen führen kann (Thompson, 2021). Der Königsweg liegt darin, gute Verhandlungsergebnisse zu erreichen UND die vertrauensvollen Beziehungen zur Gegenseite zu erhalten.
Verhandlungen werden von unzähligen Faktoren beeinflusst, so dass sich keine Patentrezepte auflisten lassen, die in allen Situationen und mit jedem Verhandlungspartner greifen. Die folgenden Empfehlungen können aber dazu beitragen, gute wirtschaftliche und soziale Ergebnisse in Job-Verhandlungen zu erzielen:
- Professionelle Vorbereitung
„Wer sich nicht vorbereitet, der bereitet sein Scheitern vor.“ Dieses Zitat von Benjamin Franklin betont die Wichtigkeit einer guten Vorbereitung. Die folgenden vier Elemente zählen zu einer effektiven Vorbereitung im Kontext von Job-Verhandlungen (Thompson, 2021).
Definition des Verhandlungsziels
Was ist mein realistisches Wunschergebnis, mit dem ich richtig zufrieden aus der Verhandlung gehe? Wenn wir uns auf ein ambitioniertes Verhandlungsziel fokussieren, investieren wir mehr in dessen Erreichung, was sich letztlich positiv auf das Verhandlungsergebnis auswirkt.
Identifikation der besten Alternative
Was ist meine beste Option, mein Plan B, sollte die Verhandlung scheitern? Verhandeln wir ohne klare Alternative, machen wir uns unnötigerweise von einer Einigung mit der Gegenseite abhängig und müssen notfalls auch solche Vereinbarungen akzeptieren, die wir eigentlich vermeiden wollten.
Alternative der Gegenseite
Was wird der Arbeitgeber wohl unternehmen, sollte er sich nicht mit Ihnen einigen können? Steht ein anderer Kandidat zu Verfügung oder ist das Unternehmen etwa darauf angewiesen, eine Lösung mit Ihnen zu erzielen?
Verhandlungsthemen abseits des Fixgehalts
Welche Themen können in die Verhandlung integriert werden? Zu denken ist hier an leistungsabhängige Vergütungen (Boni), Onboarding-Maßnahmen, Weiterbildungen, Karriereprogramme, Home-Office-Möglichkeiten, Positionsbezeichnungen oder der Dienstwagen. Werden mehrere Themen in die Vereinbarung einbezogen, kann dies das Finden einer für beide Seiten zufriedenstellenden Lösung begünstigen.
- Taktische Empathie (Voss & Raz, 2017)
Die empirische Verhandlungsforschung unterstreicht die hohe Bedeutung der Fähigkeit verhandelnder Personen, sich in die Lage ihres Gegenübers zu versetzen. Im Englischen wird diese Fähigkeit Perspective Taking Ability genannt (Trötschel et al., 2011). Im Kern geht es darum zu verstehen, welche Interessen die Gegenseite verfolgt. Hierfür sind offene Fragen und aktives Zuhören besonders wertvoll. Detaillierte Einblicke dazu liefert ein aktueller Podcast der DHBW-Professorinnen Petra Morschheuser und Nicole Klein (2025).
Clevere Fragen eröffnen Arbeitnehmern zudem die Möglichkeit, bedingte Vereinbarungen mit der Arbeitnehmerseite zu gestalten, indem danach gefragt wird, unter welchen Voraussetzungen, eine Beförderung, mehr Verantwortung, eine höhere Vergütung etc. möglich sind. Die erhaltenen Antworten ebnen den Weg zu leistungsabhängigen Vereinbarungen, z.B. zu Bonuszahlungen bei der Erzielung von Kosteneinsparungen oder der Akquise eines wichtigen Neukunden.
- Verträgliche Einflussnahme
Der Versuch, die Gegenseite von den eigenen Ansichten oder Lösungsvorschlägen zu überzeugen, ist fester Bestandteil vieler Verhandlungen. In Job-Verhandlungen können diese Versuche der Einflussnahme jedoch auf die Gegenseite aggressiv wirken und die (künftige) Zusammenarbeit belasten. Daher sollten Überzeugungsversuche mit Bedacht eingesetzt werden. Wie das gelingen kann, wird nun anhand von zwei Techniken verdeutlicht.
Ankern
Eine mächtige Einflusstechnik ist das sogenannte Ankern. Darunter versteht man das Unterbreiten eines ersten Angebotes, z.B. durch die Nennung eines konkreten Gehaltswunsches von 63.000 Euro. Anker können großen Einfluss auf die erzielten Ergebnisse entfalten, indem sie das finale Ergebnis in die Richtung desjenigen „ziehen“, der zuerst ankert (Galinsky & Mussweiler, 2001). Sie führen jedoch auch zu unerwünschten Konsequenzen, insbesondere dann, wenn sie aggressiv wirken und den Wunsch nach einer weiteren Verhandlung oder Zusammenarbeit in der Zukunft negativ beeinträchtigen (Lipp et al., 2022). Anker lassen sich aber erfreulicherweise verträglicher bzw. beziehungsschonend gestalten:
- Einen ersten Ansatz liefern Non-offer Offers (Lax & Sebenius, 2006). Beispiel: „Andere Unternehmen vergüten diese Position mit einem Jahresgehalt in Höhe von 66.000 Euro.“ Der Vorteil: der ambitionierte Anker beeinträchtigt nicht die eigene Glaubwürdigkeit, da er nur genannt, jedoch nicht aktiv eingefordert wird.
- Flexible, offene Anker stellen eine zweite Form des verträglichen Ankerns dar (Lax & Sebenius, 2006). Beispiel: „Bei dem was ich über die vakante Position und die Aufgaben bisher erfahren habe, halte ich eine Vergütung von 63.000 Euro für angemessen.“ Der Vorteil: die Formulierung des Ankers betont die eigene Flexibilität, die Vorstellung anzupassen, sofern neue Informationen zu einer anderen Bewertung führen.
- Eine dritte Option bietet der Tandem-Anker, bei dem man statt eines konkreten Wertes eine Range nennt (Ames & Mason, 2015). Beispiel: „Als Vergütung stelle ich mir 63 – 66.000 Euro vor.“ Die Gegenseite nimmt diese Form des Ankers als weniger aggressiv und stur wahr. Zudem wir die Differenz der beiden Werte (hier 3.000 Euro) als erstes Zugeständnis gewertet und wahrscheinlicher erwidert.
Argumentation
Ein weiterer Ansatz liegt im Versuch, die Ansichten der Gegenseite zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Hierbei kommt man nicht umhin, sich mit den Arbeiten von Robert Cialdini auseinanderzusetzen, der mehrere Beststeller zu Einflusstechniken veröffentlicht hat. Für Job-Verhandlungen sollen hier drei vielversprechende Ansätze skizziert werden:
- Cialdini rät Bewerbern dazu, die Arbeitgeberseite nach den Gründen für die Einladung zum Interview zu fragen. Diese Technik veranlasst die Arbeitgeberseite nun, Partei für den Bewerber zu ergreifen. Die geäußerten Argumente müssen im weiteren Gesprächsverlauf nicht fundiert werden und lassen sich vom Bewerber gezielt nutzen (2025).
- Ein mächtiges Prinzip der Einflussnahme ist die Regel der Gegenseitigkeit (Reziprozität). Wenn uns jemand eine Gefälligkeit erwiesen hat und diese bedingungslos erbracht wurde, dann möchten wir diese Gefälligkeit erwidern, um dem anderen gegenüber nicht mehr in der Schuld zu stehen (Cialdini, 2023). Dieses Prinzip lässt sich auch auf Job-Verhandlungen anwenden, indem Arbeitnehmer aufzeigen, in welchen Fällen sie dem Arbeitgeber aus der Patsche geholfen haben, z.B. bei krankheitsbedingten Ausfällen in der Abteilung, durch Mehrarbeit im Rahmen eines Sonderprojektes oder bei der Bewältigung einer Krisensituation am Wochenende. In Gehaltsverhandlungen lassen sich solche Situationen aktiv nutzen, bevor die Vorstellungen und Wünsche an den Arbeitgeber geäußert werden.
- Zur Stärkung der eigenen Verhandlungsposition von Arbeitnehmern oder Bewerbern eignen sich Unterstützer, also Dritte, die die Job-Verhandlung aktiv beeinflussen. Diese Funktion kann bei Berufseinsteigern wie Auszubildenden oder Dual Studierenden beispielsweise eine Person wahrnehmen, mit der man erfolgreich zusammengearbeitet hat und dann unternehmensintern als Fürsprecher für die eigenen Anliegen agiert. Ähnliches gilt bei potenziellen Beförderungen oder Neuanstellungen. Hier steigern ehemalige Vorgesetzte oder Kollegen über Referenzschreiben und persönliche Gespräche (sog. Reference Checks) die Erfolgschancen des Kandidaten.
Literaturempfehlung:
Thompson (2021). The Mind and Heart of the Negotiator. Pearson. Leigh Thompson gibt einen umfassenden Überblick über professionelle Verhandlungsführung und widmet sich in Anhang 1 der Verhandlung von Job-Angeboten.
Quellen:
Titelbild: https://pixabay.com/de/vectors/interview-gesch%C3%A4ft-treffen-9665463/
Ames & Mason (2015). Tandem anchoring. Journal of Personality and Social Psychology.
Cialdini (2023). Influence: Wie man (andere) überzeugt. Harper Collins.
Cialdini (2025). Applying for a job? Beitrag auf LinkedIN. Link
Galinsky & Mussweiler (2001). First offers as anchors. Journal of Personality and Social Psychology.
Lax & Sebenius (2006). 3D-Negotiation. Harvard Business Review Press.
Lipp, Smolinski & Kesting (2022). Toward a Process Model of First Offers and Anchoring in Negoations. NCMR.
Morschheuser & Klein (2025). Die Kunst der richtigen Frage – Erfolgreiche Verhandlungen durch gezielte Fragetechniken (Podcast). URL: Link
Shell (2006). Bargaining for Advantage. Penguin.
Thompson (2021). The Mind and Heart of the Negotiator. Pearson.
Trötschel, Hüffmeier, Loschelder, Schwartz & Gollwitzer (2011). Perspective taking as a means to overcome motivational barriers in negotiations. Journal of Personality and Social Psychology.
Voss & Raz (2017). Kompromisslos verhandeln. Redline.