Der Betriebstyp Drogeriemarkt ist gekennzeichnet durch ein schnell umschlagendes Sortiment von Markenartikeln des täglichen Bedarfs mit Schwerpunkt im Bereich der Gesundheits- und Körperpflegemittel, Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, Babynahrung und -pflege, Haushaltspapiere sowie Kosmetik in Selbstbedienung. Drogeriemärkte beinhalten ausschließlich Filialbetriebe.
Der Markt in Deutschland wird bestimmt durch die nationalen Player dm, Rossmann und Müller sowie regionale wie zum Beispiel Budnikovsky. Die Marktanteile bei Near-Food bewegen sich bei ca. 45 %. Aber auch der Lebensmitteleinzelhandel ist in der Drogeriewarengruppen sehr aktiv und erreicht ca. 20% Marktanteil. Hier kann also durchweg von einem Wettbewerb zwischen den Betriebstypen gesprochen werden.
In den mehr als 2.069 dm-Märkten, die es derzeit deutschlandweit gibt, kaufen täglich mehr als 1,7 Mio. Kunden ein. Rossmann betreibt 2200 Märkte mit täglich 1,6 Mio. Kunden. Müller hat mit 571 Filialen in Deutschland eine wesentlich geringere Verdichtung des Filialnetzes. Bei 42 Mio. Haushalten in Deutschland würde rechnerisch jeder Haushalt einmal im Monat bei dm und Rossmann einkaufen. Drogeriemärkte haben einen sehr hohen Penetrationsgrad von über 85%.
Standorte der Drogeriemärkte sind meist gut frequentierte und neu entstehende Fachmarktlagen, Nahversorgungszentren mit Lebensmittelhandel und anderen häufig genutzten Geschäften, gute Stadtteil- bzw. Vorortlagen, Stadtteilzentren sowie Stand-alone-Lagen an Hauptverkehrsstraßen. Die Filialkonzepte reichen von 400 bis hin zu 4500 m2 Verkaufsfläche zum Beispiel bei Müller.
Mit ihren Sortimenten zielen die Drogeriemärkte auf das Auswahlmotiv. Rossmann verkauft 21.400 verschieden SKUs davon 4600 Produkte unter insgesamt 28 Eigenmarken. dm zeichnet sich aus durch ein breites Angebot von rund 12.500 Produkten stationär und online 20.000 mit ebenfalls 28 Eigenmarken. Müller setzt auf sehr große Sortimente mit freundlichem Service, Beratung und günstigen Preisen. Insgesamt führt Müller 190.000 Artikel, davon 50.000 aus der Kategorie Drogerie und 28.000 aus der Kategorie Parfümerie mit insgesamt 36 Eigenmarken. Food spielt bis auf Biosortimente zur Profilierung kaum eine Rolle. Die Drogeriemärkte kommen mit knapp 2% Marktanteil auf eine ähnlich großes Kuchenstück bei Food wie E-Food.
Netto wirbt mit dem Slogan „Der Ort, an dem ich mir den Drogeriemarkt sparen kann”. Kann Netto dieser Werbebotschaft gerecht werden?
Gezielt werden durch Netto die One-stop-Shopper angesprochen. Kunden, die möglichst effizient ihre Einkäufe bei FMCGs erledigen wollen. Bewusst werden die Eigenmarken besonders herausgestellt, um auch gerade in Inflationszeiten die günstige Alternative aufzuzeigen.
Das Sortiment beschränkt sich jedoch auf wenige ausgewählte A-Marken und als günstige Alternative die Eigenmarke. Netto wirbt mit 600 Markenartikeln und 300 nachhaltigen Produkten, insgesamt 1000 SKUs. Die Kaufmotive Auswahl, Service und Erlebnis können so nicht bespielt werden. Bei einem sehr hohen Penetrationsgrad von 98% nutzen Discounter natürlich ihr Cross-Selling-Potential. Discounter können aber eigentlich nur das Preismotiv bespielen, bei Erlebnis, Service und Auswahl gibt es keine Chancen eine Differenzierung über den Preis bedingt niedrige Einkaufspreise und geringe operative Kosten. Das können die Discounter, wobei gerade Netto bei Flächen- und Personalproduktivität weit hinter der Systemführern Aldi und Lidl steht.
Und in Punkto One-Stop-Shopping gibt es derzeit eine Rückkehr zum normalen Einkaufsverhalten. Davon profitieren gerade die Drogeriemärkte. Die stark rückläufigen Kosmetik- und Körperpflege-Kategorien erholen sich nach Wegfall der Einkaufsbeschränkungen und zunehmender Out-of-home-Aktivitäten der Kunden. Die Drogeriemärkte wachsen im April 2022 wertmäßig nach Gfk-Zahlen um 8%. Drogeriemärkte sind derzeit die Gewinner, sie legen in ihrem Kernkompetenzbereich Körperpflege & Kosmetik um sehr hohe 11% zu, während der LEH 3% verliert und besonders deutlich die Discounter mit 7,7%. Der LEH konnte das für ihn positive Momentum des One-Stop-Shoppings während der Pandemie nicht aufrechterhalten. Die Kunden und damit die Marktanteile wandern bei Körperpflege und Kosmetik wieder zu den Drogeriemärkten zurück. Insofern ist die Werbung von Netto verständlich, erscheint aber eher defensiv. Netto versucht die Umsätze in diesem Bereich zu halten und nicht auszuweiten.
Nur in den Warenbereichen Wasch-/Putz-/Reinigungmittel verlieren beide Betriebstypen fast gleichermaßen. Die Discounter haben 5,5% und die Drogeriemärkte etwas höhere 6,6% Umsatzverluste im April 2022 gegenüber Vorjahr zu verzeichnen. Die Kunden reduzieren ganz allgemein ihre Ausgaben in diesen Kategorien.
Die großen Preissteigerungen bei Drogerieartikeln werden in der Branche allerdings erst in Q3 erwartet . Dann könnte der Discounter vielleicht doch etwas punkten, wenn er die Preiserhöhungen verzögert und nicht in voller Höhe weitergibt. Das würde allerdings Marge kosten, bei den steigenden operativen Kosten allerdings sicherlich nicht opportun.
Im Wettbewerb zwischen Discountern und Drogeriemärkten kommt hinzu, dass die Drogeriekonzepte sich durch ein kontinuierliches Trading-up kennzeichnen.
dm startet sein neues Ladenkonzept und hat einen ersten Testmarkt in der Nähe von Karlsruhe eröffnet. Überarbeitet wurden die Kategorien dekorative Kosmetik, Parfum und Foto. Beauty wurde letztmalig vor 10 Jahren umgebaut. Insofern gab es schon eine gewisse Store Erosion. Es gibt jetzt sogar Schminktische und mehr Flächen für Promotions auf Sondertischen. Damit zielt dm auf Galeria, Douglas und private Parfümerien sowie Fotohändler ab. Zusätzlich gibt es jetzt Abholstationen mit der Möglichkeit von Ckick&Collect.
Müller dagegen positioniert sich eher als kleines Warenhaus in Abgrenzung zu Rossmann und dm mit Warengruppen wie Spielwaren, Strumpfwaren, Schreibwaren etc. Hier wird vermehrt auf Shop-in-Shop-Konzepte gesetzt in Anlehnung an den Fachhandel. Diese Shops sind relativ klein mit ca. 40m2 bei Food und zielen auf Premiumanbieter wie Käfer ab. Der Heimtierbedarf ist dann schon etwas größer mit bis zu 100m2.
Die Drogeriemärkte suchen bewusst den Wettbewerb mit höherwertigen Konzepten und gehen dem Wettbewerb mit den Discountern damit aus dem Weg. Netto wird mit seiner Werbung keinen Erfolg haben.