Suche
Close this search box.

Handels

Nettoschulden von REWE steigen auf über 16 Milliarden Euro, ist das wirklich ein Problem?

von Prof. Dr. Carsten Kortum
24.07.2024

Hier eine Zusammenfassung des Beitrages im Handelsbaltt:

-Die steigende Schuldenlast von REWE und ihre Auswirkungen auf die Gesellschafter-

Wachsende Schulden und Zinsaufwendungen:

  • Deutschlands größtem Einzelhändler, dem Kölner REWE-Konzern, machen die hohen Schulden zunehmend zu schaffen.
  • Der Geschäftsbericht 2023 zeigt, dass sich die Nettoverschuldung nach Abzug der flüssigen Mittel auf über 16 Milliarden Euro summiert.
  • Die damit verbundenen Zinsforderungen schmälern erheblich den Gewinnanteil der Gesellschafter, die mehrheitlich selbstständige REWE-Supermarktbetreiber sind.

Gewinnmargen:

  • Von jedem Euro Umsatz bleiben den Gesellschaftern unter dem Strich gerade einmal 0,8 Cent.
  • Der Zinsaufwand war um 0,1 Millionen Euro höher als der Nettogewinn der Gesellschafter, was den starken Einfluss auf die Erträge verdeutlicht.

Zusammensetzung der Schulden:

  • Die Finanzaufwendungen umfassen neben Zahlungen an Banken und Anleihegläubiger auch kalkulatorische Zinsen für Miet- und Leasingverträge gemäß IFRS.
  • Diese Verbindlihckeiten machen etwa drei Viertel der Nettoverschuldung von REWE aus.

Gründe für die gestiegene Verschuldung:

  • Konzernchef Lionel Souque nennt in seinem Bericht neben einer unvorhergesehene Akquisitionen zwei wesentliche Gründe für die erhöhte Verschuldung: ein volles Lager an unverkaufter Ware und hohe Zinsaufwendungen durch das gestiegene Zinsniveau.[1]

Telerik Schischmanow, Mitglied des Vorstands – Finanzen (Chief Financial Officer) der REWE Group, hat in einem Interview mehrere Thesen und Behauptungen in einem Interview korrigiert und klargestellt:

  1. Unternehmensleistung 2023: Schischmanow betont, dass 2023 das beste Jahr in der Unternehmensgeschichte der REWE Group war. Die REWE Group sei solide und stabil aufgestellt.
  2. Rating von Standard & Poor’s: Die REWE Group wird seit 2010 von Standard & Poor’s bewertet. Vor zwei Jahren wurde das Rating von BBB- auf BBB heraufgestuft. Dies sei ein gutes Rating für einen Handelskonzern. Innerhalb des europäischen Lebensmittelhandels liege die REWE Group im Vergleich gleichauf, im Touristikbereich sei der größte Mitbewerber sogar fünf Stufen unter der REWE Group.
  3. Zinszahlungen: Die Behauptung, Banken würden mehr verdienen als die Anteilseigner, wird als nicht haltbar zurückgewiesen. Die Zinszahlungen an Banken und andere Kreditgeber belaufen sich auf 76,5 Millionen Euro, nach Abzug der Zinserträge und Zinsswaps auf rund 30 Millionen Euro pro Jahr. Der Jahresüberschuss beträgt 736 Millionen Euro, das Konzernergebnis für die Anteilseigner 672,2 Millionen Euro.
  4. Nettoverschuldung: Die genannten 16 Milliarden Euro Nettoverschuldung wurden falsch interpretiert. Diese beinhalten hauptsächlich zukünftige Mieten für Standorte, die als Leasingverbindlichkeiten bilanziert werden. Banken und Kreditgeber verdienen an diesen rein kalkulatorischen Zinsen in Höhe von 557 Millionen Euro nichts, da es sich um Mietaufwände handelt, die an Vermieter gezahlt werden.
  5. Investitionen und Schulden: Schischmanow stellt klar, dass mehr Kredite nicht per se schlecht seien, insbesondere für einen wachsenden Konzern. Die Aussage über die Notwendigkeit, jedes Jahr 200 bis 400 Millionen Euro an neuen Schulden aufzunehmen, wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Diese Schulden seien notwendig für Investitionen in die Unternehmensentwicklung und das Wachstum, insbesondere in Immobilien.
  6. Eigenkapitalrendite: Vergleiche mit anderen Unternehmen wie Metro, Edeka, Tesco oder Carrefour seien nicht gerechtfertigt, da unterschiedliche Bilanzierungsrichtlinien verwendet werden. Die Gewinne der REWE-Anteilseigner werden fast vollständig durch das operative Geschäft generiert, während börsennotierte Unternehmen Geld über Dividenden verdienen. Der Jahresüberschuss der REWE Group wird nahezu vollständig reinvestiert.[2]

 

Bei Gegenüberstellung der Ausführungen von Handelsblatt und REWE zeigen sich zwei Perspektiven auf wichtige Kennzahlen im Handel. Hier erfolgt jetzt eine Einordnung der vorliegenden Fakten:

Verschuldung und Zinsaufwendungen:

Für die REWE ist der Ausweis der Nettoverschuldung wichtige Steuerungsgröße für die Finanzierung und der Beibehaltung des Ratings bei den Ratingagenturen. Zu den reinen Finanzschulden werden Schulden aus Zinsswaps und Schulden gegenüber Beteiligungsunternehmen sowie Nettoschulden aus leistungsorientierten Verpflichtungen addiert.[3]

Verschuldung ist per se nichts Negatives. Grundsätzlich ist Fremdkapital immer günstiger als Eigenkapital und über den Leverage-Effekt kann die Rentabilität des Eigenkapital gesteigert werden. Die Summe von über 16,167 Milliarden Euro Nettoverschuldung musss in Relation gesetzt werden zu den anderen Bilanzgrößen. Ein rein absoluter Wert ist nicht aussagekräftig. Die Bilanzierung zukünftiger Mieten (3/4 der Zinsen) bei in der Regel langfristigen Mietverträgen werden durch entsprechende Erträge in der Zukunft relativiert. Nach HGB werden diese nicht bilanziert.

Eine Zunahme der Verschuldung bei entsprechendem Unternehmenswachstum ist auch als völlig normale Entwicklung zu sehen. Die gesamte REWE Gruppe verzeichnete 2023 insgesamt 92,3 Mrd. Euro Umsatz inklusive Reisesparte und toom Baumärkte.[4] Die Zunahme der Nettoverschuldung um 537 Mio. Euro sind auf eine neue Anleihe und den Anstieg der Leasingverbindlichkeiten zurückzuführen. Der Anstieg um 3,3% liegt deutlich unter dem Wachstum des Rohertrages um 9,8% und dem Umsatzwachstum von 8,8%.[5] Auch in 2024 werden steigende Leasingverbindlichkeiten als Grund genannt für eine weiter steigende Nettoverschuldung.

Der operative Cash-Flow in Höhe von 4,473 Mrd. Euro übertrifft den negativen Cash-Flow aus Investitionstätigkeit von -2,962 Mrd. Euro bei weitem.[6]

Die Bewertung von S&P mit BBB kann im Handelsumfeld als sehr solide eingeschätzt werden. Das Rating von REWE hat sich 2024 mit der Heraufstufung sogar verbessert. Die Metro AG hat zum Vergleich BBB-.[7] Die Eigenkapitalquote beträgt solide 25% gegenüber 24,5% im Vorjahr.[8]

Das Zinszahlungen aus dem operativen Ergebnis (EBIT) den verbliebenen Gewinnanteil der Eigentümer schmälert ist ganz normal. Dass der Zinsaufwand mit dem Gewinn verglichen wird ist eine nicht übliche Kennzahl der Bilanzanalyse. Und bei den Gewinnen ist zu berücksichtigen, dass Gewinne auch bei den selbstständigen Kaufleuten (stehen für 17,4 Mrd. Euro Umsatz) entstehen, die in der Konzernrechnung nicht berücksichtigt werden. Bei diesen haben sich Umsätze und Gewinne in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt.[9] Ein Rückgang des Ergebnisses ist auch kein Schock, sondern ist bereits frühzeitig vom Management angekündigt worden.[10] Auch in 2022 war ein Ergebnisrückgang prognostiziert worden.[11] Insofern könnte man in einem herausfordernden Handelsumfeld in den Jahren 2021/22 vielleicht von einem Ergebnisproblem der REWE sprechen, aber auch hier nicht von einem Schock. In 2023 konnte das EBIT um 32,7% gesteigert werden auf 1.807,7 Mrd. Euro.[12]

Insgesamt sind die Ausführungen des Handelsblatts wenig fundiert und durch die Antwort der REWE sehr gut relativiert worden. Die Rede in den Medien von einem Verschuldungs-Schock kann nicht geteilt werden. Die wesentlichen Kennzahlen signalisieren keine negative Tendenz oder gar einen Schock-Zustand. Statt absoluten Zahlen, sollten zur Einordnung eher relative Zahlen verwendet werden.

[1] Vgl. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/rewe-nettoschulden-des-konzerns-klettern-auf-ueber-16-milliarden-euro-02/100048549.html

[2] Vgl. https://www.rewe-group.com/de/presse-und-medien/newsroom/stories/die-rewe-group-steht-solide-da-und-waechst-stabil-weiter/

[3] Vgl. Geschäftsbericht 2023, S.8 (https://www.rewe-group.com/content/uploads/2024/05/REWE-Finanzbericht-31.12.2023.pdf?t=2024052401)

[4] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/jahreshauptversammlung-rewe-staerkt-kaufleute-178214

[5] Vgl. Geschäftsbericht 2023, S.17

[6] Vgl. Geschäftsbericht 2023, S.49

[7] Vgl. https://investoren.metroag.de/anleihen

[8] Vgl. Geschäftsbericht 2023, S.23

[9] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/jahreshauptversammlung-rewe-staerkt-kaufleute-178214

[10] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/jahreshauptversammlung-rewe-blickt-herausfordernden-zeiten-entgegen-171940

[11] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/prognose-2022-rewe-erwartet-starken-gewinnrueckgang-165937

[12] Vgl. Geschäftsbericht 2023, S.17

Die neusten Studien

Band21 Shadow

Band 21

Kriterien der Einkaufsstättenwahl in der DIY-Branche. Eine empirische Untersuchung zum Konsumentenverhalten in der Baumarktbranche.

Maximilian Timm, Carsten Kortum

Oktober 2023

Band20 Shadow

Band 20

Kundenreaktion auf Out-of-Stock von Food- und Nonfood- Aktionsartikeln bei verschiedenen Betriebstypen im Lebensmitteleinzelhandel

Marcel Gimmy, Prof. Dr. Carsten Kortum

Mai 2023

Titel Band 19 Homepage Neu

Band 19

Klimaneutralität im deutschen LEH
Diskussionsbeitrag auf Basis von acht Experteninterviews

Alesia Kehl, Stephan Rüschen

November 2022

Die neusten Whitepaper

Nr. 38
Der Einfluss von Ausbildung und externen Unterstützungsangeboten auf den Gründungsprozess: Eine qualitative Untersuchung von 44 Gründerinterviews (English Version available)
Carsten Leo Demming, Carsten Kortum
November 2024
Nr. 37
Bio – Handelsmarke oder Marke?
Stephan Rüschen
November 2024
Nr. 36
Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften im Lebensmitteleinzelhandel- eine empirische Analyse von Käufern/Nichtkäufern und Händlereinschätzungen
Carsten Kortum, Andrea Nitsche, Studierende des Kurses HD21B13
November 2024

Die neusten Blogbeiträge

Weihnachtsspots der großen Lebensmitteleinzelhändler

von Prof. Dr. Beate Scheubrein

Black Friday 2024: Zwischen Shopping-Fieber und kritischer Konsumentenhaltung

von Prof. Dr. Carsten Kortum

Psychologische Effekte bei Kunden im Influencer Marketing – Vertrauen als Schlüssel zur Kaufentscheidung?!

von Franka Spieler

Preissuchmaschinen, was macht ein gutes Portal aus?

von Prof. Dr. Carsten Kortum

Nahversorgung oder Notkauf – Warum begrenzen Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern die Fläche für Smart Stores 24/7?

von Prof. Dr. Stephan Rüschen