Der Klimawandel macht auch vor Olivenhainen nicht halt. Die letzten beiden Ernten in der EU verliefen schlecht. Die Folgen sind: Weniger Öl, steigende Preise. Die Prognosen sind nicht optimistisch.
Die Preise für Olivenöl gehen derzeit in die Höhe wie bei keinem anderen Lebensmittel: Das hochwertige Öl kostete laut Statistischem Bundesamt im August 2023 im Schnitt 38 % mehr im Vergleich zum Vorjahr. Zum Vergleich: Die inflationsbedingte Teuerungsrate für Lebensmittel lag bei 6,1 %.[1]
Die Literpreise für natives Olivenöl extra liegen derzeit Mitte November bei 10,65 Euro für die Eigenmarke, 11,99 Euro für die Eigenmarke in Bio-Qualität (damit ist nur noch ein geringer Abstand zum konventionellen Produkt gegeben). Die Eigenmarken sind Mischungen aus Olivenölen aus der EU. Die A-Marken Bertolli wird verkauft bei Penny/REWE für 15,98 Euro und 17.98 Euro in Bio. Auch hier werden Mischungen verkauft aus EU und Drittländern. De Cecco mit nur Oliven aus Italien liegt bei 20,98 Euro. Damit hat sich der Preisabstand von Olivenöl zu dem wieder günstiger werdenden Sonnenblumenöl vergrößert, z.B. bei Bio auf den Faktor 3,86 bei Penny.[2]
Preisveränderungen sind immer ein guter Indikator für Veränderungen in der Angebots- und Nachfragestruktur. Bei Olivenöl haben wir derzeit einen Angebotsschock. Die höheren Preise führen wieder zu einem Marktgleichgewicht mit geringeren Mengen. Das lernen die Studierende bei uns in BWL-Handel in Mikroökonomie im 2.Semester.
Rund 67 % des weltweit erzeugten Olivenöls kommen aus der EU. Etwa 4 Millionen Hektar sind in den Ländern des Mittelmeerraums der EU für den Anbau von Olivenbäumen bestimmt. Aufgeteilt auf die Länder liegt Spanien vorne mit 66% Anteil vor Italien mit 15%, Griechenland mit 13% und Portugal mit 5%. Dabei kommen traditionelle, intensive und auch sehr intensive Anbaumethoden zur Anwendung.
350.000 Landwirte bauen im global führenden Produktionsland Spanien Oliven an. 80 Prozent der gesamtspanischen Ölproduktion kommt aus Andalusien, davon ein Großteil aus dem „Oliven-Meer“, der Provinz Jaén mit der höchsten Dichte an Olivenbäumen und auch einem reichhaltigen touristischen und kulturellen Angebot.[3]
Hauptursache für die Preissteigerungen ist eine Folge der Klimaerwärmung, die der Landwirtschaft in den Mittelmeerländern vor allem durch Dürren zusetzt. Den an sich genügsamen Olivenbäumen reicht das Wasser nicht mehr und sie produzieren weniger Früchte. Es gab 2022 und 2023 kaum Winterregen zur Auffüllung der Wasserbestände und schon erste Hitzewellen zur Blütezeit im April und Mai. In der Folge warfen die Olivenbäume zum Teil die Blüten ab. Die letzten beiden Sommer waren extrem trocken und heiß. Waldbrände z.B. in Griechenland verschlimmerten die Misere.
In der ersten schlechten Erntesaison von Herbst 2022 (Start ist immer zum 1.Oktober) bis Frühjahr 2023 fuhren die EU-Landwirte nur 1,4 Millionen Tonnen Oliven ein. Zum Vergleich: In der Saison davor waren es noch 2,3 Millionen, ein Rückgang um 40% im Angebot aus der EU.
Wegen der geringeren Ernte des Winters 2022 füllen die EU-Länder bei sinkenden Lagerbeständen daher 40 % weniger Öl ab als in der Vorsaison. Importe aus Nicht-EU-Staaten im Mittelmeerraum wie der Türkei und Tunesien können die Verluste nicht annähernd ausgleichen.
Für die laufende Ernte 2023/24 sieht es wieder nicht gut aus: In Spanien schädigte im Frühjahr eine Hitzewelle die Olivenblüten. In Griechenland schwächten im Sommer Rekordtemperaturen, Überschwemmungen und Waldbrände die Bäume. Auch in Süditalien setzen Trockenheit und Hitze die teils jahrhundertealten Pflanzen unter Stress, die Oliven wuchsen langsamer. Die Branche sucht nach Lösungen. So sollen Olivenhaine dichter bepflanzt werden, damit weniger Wasser verdunstet. Diese wäre allerdings eher eine mittelfristige Maßnahme.
So schlecht wie zunächst von vielen Marktteilnehmern befürchtet dürfte die Ernte in Spanien 2023 letztendlich doch nicht ausfallen, und kaum hatten die Landwirte und Vermarktungskooperativen ihre Schätzungen zu Beginn der Olivenkampagne Anfang Oktober veröffentlicht, sanken die Preise wieder ein wenig. So rechnen Andalusiens Olivenölproduzenten etwa mit 2,8 Millionen Tonnen Oliven, aus denen dann 550.600 Tonnen Öl gepresst werden können, 7,4 % mehr im Vergleich zu 2022. In der Provinz Jaén sollen es 215.000 Tonnen Olivenöl werden, 19 % mehr als im Vorjahr – aber immer noch 53 % weniger als im Schnitt der letzten fünf Jahre. Insgesamt will Spanien 765.399 Tonnen Olivenöl produzieren, 15 % mehr als 2022 und damit gerade einmal nur die Hälfte der 1,5 Millionen Tonnen aus dem letzten guten Erntejahr 2021.
Die Preisentwicklung in den Hauptkonsumländern verläuft ähnlich wie in Deutschland. Im Supermarkt in Spanien kostet der Liter aceite de oliva virgen extra, Aove, derzeit im Schnitt etwas unter 9,25 Euro gegenüber 8,50 im September, vor einem Jahr zahlten Kunden 4 bis 4,50 Euro, vor zwei Jahren 3 bis 3,50 Euro für einen Liter der besten Olivenöl-Kategorie. Die ein wenig günstigeren Preise im Vergleich zu Deutschland lassen sich durch geringere Mehrwertsteuer und Transportkosten erklären. Europaweit tätige Händler wie Aldi und Lidl kaufen immer für mehrere Länder ein, so dass sich hier keine Einkaufspreisunterschiede ab Werk ergeben.
In Italien und Spanien wurden vor den Preissteigerungen mit je 510 000 Tonnen in 2021 pro Jahr EU-weit die größten Mengen verbraucht; beim Verbrauch pro Kopf liegt hingegen Griechenland mit etwa 12 Kilo pro Jahr vorn. In Deutschland liegen wir bei unter 1 Liter pro Kopf. Bei uns liegt der Mehraufwand beim Kauf bei nur 5.- Euro pro Jahr, in Griechenland dagegen 60.- Euro. Im Vergleich zu den Preissteigerungen im Energiebereich scheint das verkraftbar für die Kunden:innen.
Insgesamt steht die EU mit rund 53 % des weltweiten Verbrauchs an erster Stelle. Dieser Nachfrage steht ab 2022 nicht mehr das Angebot gegenüber. In der mediterranen Küche und Gastronomie lässt sich Oliven nicht wegdenken und ersetzen durch andere ungesättigte Öle. Es wird zwangsläufig sparsamer umgegangen werden mit dem teuren Öl. Hohe Preise haben bei Olivenölen auch wiederholt zu Mischungen mit anderen Ölen geführt und gravierenden Qualitätseinbußen bis hin zur Gesundheitsgefährdung.[4]
Abb.1: Verbrauch von Olivenöl in ausgewählten Ländern Europas 2021 vor den Preissteigerungen (in 1000 Tonnen)[5]
Die Warenverfügbarkeit im deutschen Handel bei der gesunkenen Absatzmengen ist schwierig, es gibt aber kaum zu beobachtende Regallücken bei Storechecks in der Region Heilbronn in den Supermärkten. Auf Promotions wird schon längere Zeit gänzlich verzichtet.
Von dem Wassermangel in den Mittelmeerländern sind nicht nur die Olivenbäume, sondern auch das Gemüseangebot im Winter betroffen. Paprika und Tomaten werden in den Wintermonaten zum großen Teil aus Südspanien und Marokko importiert. In 2023 im Frühjahr haben wir schon Kilopreise bei der Paprika von fast 10 EUR je KG gesehen.[6] Derzeit sind wir bei 4 EUR.[7] Perspektivisch werden sich die Anbaubedingungen weiter verschlechtern und damit auch das Angebot gerade in den Wintermonaten reduziert. In Deutschland werden vermehrt regionale Angebote und Produkte konsumiert.
Es gibt Schätzungen, dass allein der Klimawandel für 2%-Punkte Inflation verantwortlich sein wird die kommenden Jahre.[8] Führungskräfte erwarten Einflüsse auf die Kostenstruktur in vielen Branchen.[9] Das Beispiel Olivenöl zeigt deutlich die Auswirkungen von Angebotsschocks bei Agrarprodukten aufgrund des Klimawandels. Auch bei Orangensaft sehen wird aufgrund von Wetterveränderungen in den beiden wichtigsten Anbauländern globale Angebotsengpässe und massive Preissteigerungen.[10]
Zu dem Thema gibt es auch einen sehr guten Beitrag vom SWR von letzter Woche unter:
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/geht-der-region-stuttgart-das-olivenoel-aus-100.html
[1] Vgl. https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/11/PD23_429_611.html
[2] Eigene Marktchecks im Großraum Heilbronn 20.11.23
[3] Vgl. https://www.andalucia.org/de/olivenol-tourismus-jaen
[4] Vgl. https://www.deutschlandfunk.de/vor-30-jahren-urteile-im-prozess-um-vergiftetes-olivenoel-100.html
[5] Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1399306/umfrage/konsum-olivenoel-europa-land/
[6] Vgl. https://www.prosieben.de/serien/galileo/news/warum-sind-gurken-und-paprika-gerade-so-teuer-gemuese-preise-331485
[7] Vgl. https://shop.rewe.de/p/paprika-rot-ca-250g/483559
[8] Vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/klimawandel-inflation-kosten-norwegischer-staatsfonds-100.html
[9] Vgl. https://www.pwc.de/de/nachhaltigkeit/klimarisiken-im-fokus-praevention-statt-nachsicht-das-bewusstsein-waechst.html
[10] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/industrie/nachrichten/ernteausfaelle-orangensaftkonzentrat-knapp-wie-lange-nicht-172342