Unsere Lebensmittelhändler fahren Sonderangebote immer ausgeprägter nur noch über Coupons mit der jeweiligen Händlerapp. In vielen Handzetteln der großen Einzelhandelsunternehmen finden sich für die Kalenderwoche 43 besondere Preis-Aktionen, teils auf eigens dafür gestalteten Sonderseiten, die nur für die Nutzer der jeweiligen App gelten. Entweder sind die Preisreduktionen exklusiv nur App-Nutzern vorbehalten oder diese fallen noch umfangreicher aus. Damit wird die Form der persönlichen Preisdifferenzierung bespielt.
Gut zu beobachten ist diese Entwicklung beim Studieren der analogen und digitalen Handzettel von Lidl in Deutschland, Kaufland Deutschland, Penny, Netto Marken-Discount, Dirk Rossmann GmbH und REWE. Die Einsparpotenziale sind bei diesen Beispielen zum Teil enorm:
- Bei Rossmann gibt es z.B. 20% auf alle P&G-Artikel von Gillette, Venus und Braun.
- Bei Netto Marken-Discount bekommt man Lorenz-Chips oder Toffifee 23% günstiger.
- Auch bei REWE lohnt sich der Einsatz der App, wenngleich die prozentualen Ersparnisse geringer sind.
Interessanterweise gibt es bei den App-Coupons einen klaren Fokus auf Food insbesondere Markenartikel. Bei Nonfood-Promotions gibt es keine Preisdifferenzierung. Aufgrund der meist schwierigen Marktlage bei Nonfood wagt hier kein Händler Kund*innen auszuschließen.
Die Ziele dieser Aktionen sind nachvollziehbar: Es geht vor allem um die Gewinnung von App-Nutzern und die Steigerung der Loyalität. Hierfür braucht es starke Anreize. Nach dem Technologie-Akzeptanz-Modell bedarf es neben einer unkomplizierten Nutzung auch überzeugende Benefits.[1] [1] Diese fokussieren sich bei den hiesigen Händlern immer deutlicher auf rein finanzielle Anreize. Damit versuchen alle Händler, den Durchbruch zu schaffen, 40% ihrer Kunden zu App-Nutzern zu machen. Der Trend wird sich fortsetzen, Angebote nur noch gegen Kundendaten anzubieten und weiter zu personalisieren.
Der Lebensmitteleinzelhandel vollzieht hier in der Ausrichtung endlich den Sprung von Skaleneffekten im Mindset hin zu Kundenbeziehungen und deren Management. Statt Economies of Scale hat Customer Relationship Management (CRM) Priorität!
Gleichzeitig könnte man bei dieser Form der digitalen Preisdifferenzierung auch die Frage aufwerfen, ob sie nicht ältere, weniger App-affine Kundengruppen in ungerechtfertigter Art und Weise diskriminiert. Preisdifferenzierungen als Instrument der Preispolitik benachteiligen jedoch immer gewisse Kundengruppen.
Nur ALDI SÜD und ALDI Nord Group warten hierzulande weiterhin ab – wie lange noch? Bei Aldi Belgien gibt es bereits eine Loyalty-App mit Punkte- und Rabattsystem. Aldi folgt damit dem im Discount üblichen Muster, technologische Innovationen erst in kleineren Ländern einzuführen und zu testen. Die Gewinnung von Kundendaten steht ganz vorne, weniger das Trendthema Retail Media.[2]
Quelle Titelbild: Handzettel in KW 43 von Netto, Lidl, Kaufland, Penny, Rewe und Rossmann
[1] Vgl. Davis, F. D., Bagozzi, R. P., & Warshaw, P. R. (1989). Technology acceptance model. Journal of Management Science, 35(8), 982-1003.
[2] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/kommentare/kommentar-aldi-entdeckt-loyalty-178612