Handels

Preissetzung von Tankstellen: Staatliche Regulierungsversuche und Auswirkungen auf den Lebensmittelhandel

von Prof. Dr. Oliver Letzgus
03.11.2025

Dynamic Pricing oder dynamische Preisgestaltung bezeichnet die flexible und häufige Preisanpassung durch Anbieter als Reaktion auf eine veränderte Nachfrage oder ein verändertes Wettbewerbsumfeld. Tankstellen gelten hier als Vorreiter. Laut Bundeskartellamt verändern sie im Mittel 22mal pro Tag die Preise. Zwischen dem Tageshöchstpreis und dem Tagestiefstpreis liegen nach Angaben des ADAC durchschnittlich 13 Cent. Vor diesem Hintergrund gibt es eine Bundesratsinitiative des Landes Baden-Württemberg, die vorsieht, dass Tankstellen – wie in Österreich bereits längerem praktiziert – nur einmal pro Tag die Preise erhöhen dürfen, während Preissenkungen beliebig oft erlaubt bleiben. Die Initiative zielt darauf ab, die Markttransparenz zu erhöhen und es den Tankkunden zu ermöglichen, Benzin günstiger zu kaufen.

Die häufigen Preisänderungen von Tankstellen sind nicht zuletzt auf die hohe Wettbewerbsintensität an diesem Markt zurückzuführen. Hinzu kommen mitunter kräftige Schwankungen bei den Beschaffungskosten. Für Rohöl, den Grundstoff für Benzin, gibt es einen Weltmarktpreis, der täglich schwankt. Derzeit liegt der Preis pro Barrel (159 Liter) bei rund 65 USD, was etwa 56 Euro entspricht. Zusammen mit den Weiterverarbeitungs- und Transportkosten kommt man auf einen Warenwert von rund 70 Cent. Dazu kommen Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer und CO2-Abgabe, die sich auf ca. einen Euro summieren.

Ein weiterer Grund für die Preisschwankungen an den Tankstellen liegt im Nachfrageverhalten. Je nach Tageszeit werden Tankstellen von Kunden mit unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften – sprich Nachfrageelastizitäten -frequentiert. Bei Kunden mit überwiegend unelastischer Nachfrage (z.B. am frühen Morgen) können höhere Preise durchgesetzt werden als bei Kunden mit überwiegend elastischer Nachfrage (z.B. am späten Nachmittag).

Schließlich sind auch die technischen Voraussetzungen vorhanden, um häufige Preisänderungen erfolgreich durchzuführen. Angefangen mit digitalen Preisauszeichnungen, über eine zentrale Preissteuerung durch die Mineralölkonzerne bis hin zu einer umfangreichen Datenanalyse des Nachfrageverhaltens.

Die häufigen Preisänderungen sind angesichts dieser Rahmenbedingungen weder willkürlich noch zufällig, sondern Resultat eines rationalen Anbieterverhaltens. Ein solches ist in der Marktwirtschaft weder verboten noch verwerflich. Dass der Staat hier regulierend eingreifen will, passt in ein Umfeld mit Mindestlöhnen, Miet- und Energiepreisbremsen. Das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft scheint hierzulande nicht mehr besonders ausgeprägt zu sein. Experten warnen auch davor, dass eingeschränkte Möglichkeiten für flexible Preiserhöhungen sogar dazu führen könnten, dass die Preise am Ende höher sind, da die Tankstellen gewissermaßen auf Vorrat die Preise erhöhen.

Das Thema Dynamik Pricing und staatliche Regulierung könnte auch für den stationären Lebensmittelhandel (LEH) an Relevanz gewinnen. Mit der wachsenden Verbreitung elektronischer Preisschilder ist die technische Voraussetzung für häufige Preisänderungen inzwischen gegeben, wenngleich diese auch noch nicht überall eingeführt wurden. Wie am Benzinmarkt herrscht auch im Lebensmittelhandel eine hohe Wettbewerbsintensität, die eine dynamische Preisgestaltung grundsätzlich begünstigt.

Lebensmittel gehören – dem Kraftstoff vergleichbar – zu der Grundversorgung der Bevölkerung. Häufige Preisänderungen könnten aus Sicht der Verbraucher als kritisch wahrgenommen werden und auf Akzeptanzprobleme stoßen. Dies gilt besonders bei sensiblen Produktkategorien wie Frischwaren. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber auch in diesem Sektor, gestützt auf vermeintliche Fairness-Argumente, der freien Preisgestaltung Hindernisse in den Weg stellt. Von einem eingeschränkten Preiswettbewerb werden die Verbraucher aber auf Dauer sicher nicht profitieren…

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