Stellen Sie sich vor, Sie scrollen durch Instagram und sehen, wie Ihr Lieblings-Influencer ein neues Hautpflegeprodukt empfiehlt. Ohne lange nachzudenken, kaufen Sie es, weil Sie den Empfehlungen dieser Person vertrauen. Genau so funktioniert Influencer-Marketing: Aber warum vertrauen wir vertrauen auf Tipps von Menschen, die wir nur aus sozialen Netzwerken kennen?
Wenn sie schon einmal ein Produkt auf Empfehlung eines Influencers gekauft haben, wären Sie nicht alleine damit. Etwa ein Drittel aller Online-Nutzer*innen haben bereits ein von Influencern beworbenes Produkt gekauft.[1] Besonders auffällig: In der Generation Z sind bereits über die Hälfte einer Kaufempfehlung eines Influencers nachgekommen und etwas 76 % geben an, dass ein Influencer sie schon einmal auf ein Produkt aufmerksam gemacht hat.[2] Was genau steckt hinter diesen Kaufentscheidungen?
Laut Cialdini gibt es sechs Prinzipien der sozialen Beeinflussung für das menschlichen Verhalten.[3] Die zentrale Rolle für eine Kaufentscheidung durch Influencer spielen dabei die Glaubwürdigkeit (Authority) und Identifikation (Social Proof).[4] Influencer werden als Meinungsführer wahrgenommen, die Entscheidungen beeinflussen.[5]
Glaubwürdigkeit als Fundament des Vertrauens
Nach Freund*innen und Kund*innenbewertungen sind Influencer die glaubwürdigste Quelle für Produktempfehlungen.[6] Ein entscheidender psychologischer Faktor dafür ist die parasoziale Beziehung, die Follower zu Influencern aufbauen. Diese Art von Beziehungen ist einseitig: Follower haben das Gefühl, aktiv am Leben des Influencers teilzunehmen (durch Likes, Kommentare oder Shares) und diesen gut zu kennen. Der Influencer wird dabei wie ein Familienmitglied oder Freund wahrgenommen. Die emotionale Verbindung wird von Seiten des Influencers jedoch nicht erwidert. Die Beziehung des Followers hat einen positiven Effekt auf dessen Produktbewerbungen.[7]
Die direkte Interaktion unterscheidet Influencern grundlegend von klassischen Prominenten. Während traditionelle Celebrities oft unnahbar wirken, wirken Influencer zugänglicher. Einer der Schlüsselfaktoren, der zur Glaubwürdigkeit beiträgt, ist die Darstellung der Influencer als „normale“ Menschen. Sie präsentieren sich oft in Alltagssituationen und zeigen die beworbenen Produkte in alltäglichen Situationen, was den Eindruck verstärkt, dass die Produkte tatsächlich in ihr Leben passen und nicht nur Teil eines kommerziellen Deals sind. Diese Authentizität führt dazu, dass Konsument*innen ihre Kaufentscheidungen weniger kritisch hinterfragen und mehr auf die Empfehlung vertrauen. Die direkte Ansprache und das Teilen ihres „echten Lebens“ auf Social Media vermitteln den Followern außerdem, dass ihre Empfehlungen nicht nur gesponsert, sondern ehrlich und authentisch sind. Konsument*innen tendieren dazu ihre Kaufentscheidung weniger kritisch zu hinterfragen und vertrauen eher auf die Empfehlung. Unternehmen schaffen es selten, diese persönliche Ebene zu erreichen, was Influencern zu einer wichtigen Vermarktungsstrategie macht.[8]
Ein Beispiel: Wenn ein Fitness-Influencer regelmäßig in seinen Storys zeigt, wie er den von ihm beworbenen Proteinshake trinkt, wirkt authentisch und glauwürdig. Wenn sie den Shake kaufen, tun Sie dies nicht nur aufgrund der Empfehlung, sondern weil Sie Vertrauen in die Authentizität des Influencers entwickelt haben.
Auch der Brand Fit, also die Übereinstimmung von Marke und Influencer, ist ein wichtiger Faktor für die Glaubwürdigkeit eines Influencers.[9] Wenn Follower den Eindruck haben, dass ein Influencer nur aus rein finanziellen Gründen ein Produkt bewirbt, leidet die Glaubwürdigkeit. Dies gilt sowohl für den Influencer aber auch die beworbene Marke. Passen die Interessen und Werte des Influencers zu dem beworbenen Produkt und erscheint die Empfehlung authentisch, spielt es hingegen kaum eine Rolle, ob der Beitrag als Werbung gekennzeichnet ist.[10] Bewirbt derselbe Fitness-Influencer eine Fast-Food-Marke, obwohl sich der gesamter Account um Fitness dreht, stimmen die Werte nicht überein. Der Influencer verliert deshalb an Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei seinen Followern.
Glaubwürdigkeit wird auch von der Anzahl an Followern beeinflusst. Studien zeigen, dass Influencer mit einer mittleren oder kleineren Anzahl an Followern, sogenannte Nano- und Micro-Influencer, oft als authentischer wahrgenommen werden, weil sie weniger kommerziell wirken. Sie erzielen höhere Engagement-Raten und beworbene Produkte wirken einzigartiger.[11] Im Influencermarketing ist aus diesen Gründen ein klarer Trend hin zu Nano und Micro-Influencern zu beobachten.[12]
Die Glaubwürdigkeit eines Influencers, aufgebaut durch Authentizität und Vertrauen, ist daher einer der wichtigsten Faktoren für eine Kaufentscheidung. Neben der Glaubwürdigkeit spielt jedoch auch die Identifikation der Follower mit dem Influencer eine entscheidende Rolle.
Identifikation
Die Identifikation mit einem Influencer spielt ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Kaufentscheidung. Wenn Konsumenten das Gefühl haben, Interessen, Werte oder Eigenschaften mit einem Influencer zu teilen, übernehmen sie eher dessen Überzeugungen und Verhaltensweisen. Diese Identifikation kann sowohl auf realen Gemeinsamkeiten beruhen als auch auf einer Wunschidentifikation, bei der sich Konsument*innen mit dem Lebensstil oder den Werten des Influencers identifizieren möchten.[13] Influencer fungieren hier als Meinungsführer und Trendsetter. Menschen orientieren sich oft an dem Verhalten anderer, insbesondere wenn sie unsicher sind. Die Community eines Influencers kann als Bezugsgruppe fungieren. Wertvorstellungen und Konsumgewohnheiten der Mitglieder dienen dabei als Maßstab für das eigene Verhalten und Kaufentscheidungen.[14]
Fazit
Kaufentscheidungen sind vor allem von der Glaubwürdigkeit eines Influencers abhängig. Influencer bauen eine emotionale Beziehung zu ihren Followern auf und erreichen eine persönliche Ebene, die klassische Werbung oft nicht bietet. Vertrauen ist dabei die wichtigste Voraussetzung für Glaubwürdigkeit. Durch die Identifikation, insbesondere die Wunschidentifikation, übernehmen Follower das (Kauf-)Verhalten der Influencer.
Unternehmen, die auf Influencer-Marketing setzen, sollten daher nicht nur auf Reichweite, sondern vor allem auf die Authentizität und den Brand Fit des Influencers achten. Denn je glaubwürdiger ein Influencer ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Kaufes.
[1] PWC. Zwischen Entertainer Und Werber – Der Einfluss von Influencern Auf Das Kaufverhalten. 2019.
[2] Langner, Anne-Kristin, et al. Die Wirkung von Influencer Marketing Auf Das Kaufverhalten. 2021.
[3] Cialdini, R. (2010). Die Psychologie des Überzeugens. Bern: Huber.
[4] Schouten, Alexander P., et al. “Celebrity vs. Influencer Endorsements in Advertising: The Role of Identification, Credibility, and Product-Endorser Fit.” International Journal of Advertising, vol. 39, no. 2, 2 July 2020, pp. 258–281.
[5] Langner, Anne-Kristin, et al. Die Wirkung von Influencer Marketing Auf Das Kaufverhalten. 2021.
[6] Langner, Anne-Kristin, et al. Die Wirkung von Influencer Marketing Auf Das Kaufverhalten. 2021
[7] Reinikainen, Hanna, et al. ““You Really Are a Great Big Sister” – Parasocial Relationships, Credibility, and the Moderating Role of Audience Comments in Influencer Marketing.” Journal of Marketing Management, vol. 36, no. 3-4, 9 Jan. 2020, pp. 279–298, https://doi.org/10.1080/0267257x.2019.1708781.
[8] Langner, Anne-Kristin, et al. Die Wirkung von Influencer Marketing Auf Das Kaufverhalten. 2021.
[9] Deges, Frank. Quick Guide Influencer Marketing. Springer-Verlag, 11 July 2018.
[10] Langner, Anne-Kristin, et al. Die Wirkung von Influencer Marketing Auf Das Kaufverhalten. 2021.
[11] Langner, Anne-Kristin, et al. Die Wirkung von Influencer Marketing Auf Das Kaufverhalten. 2021.
[12] Santora, Jacinda. “16 Influencer Marketing Trends That Will Shape 2024.” Influencer Marketing Hub, 13 Nov. 2023, influencermarketinghub.com/influencer-marketing-trends/.
[13] Langner, Anne-Kristin, et al. Die Wirkung von Influencer Marketing Auf Das Kaufverhalten. 2021.
[14] Deges, Frank. Quick Guide Influencer Marketing. Springer-Verlag, 11 July 2018.