Auch wenn der Wettbewerb um das Präsidentenamt in den USA nach dem Verzicht von Joe Biden und der faktischen Nominierung von Kamala Harris durch die Demokratische Partei eine neue Dynamik bekommen hat, bleibt die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederwahl von Donald Trump hoch. Es lohnt sich daher, einen Blick auf die wirtschaftspolitischen Absichten einer zukünftigen Trump-Administration zu werfen, insbesondere auch im Hinblick auf die Folgen für Deutschland und Europa.
Es kristallisieren sich heute schon folgende große Linien heraus:
- Verschärfung protektionistischer Maßnahmen: Ein erklärtes Ziel ist, die Wareneinfuhren aus dem Ausland, vor allem aus China, einzudämmen, um die industrielle Fertigung in den USA zu fördern. Dadurch sollen in den Vereinigten Staaten Jobs erhalten respektive neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Selbst wenn die EU, wovon aber nicht auszugehen ist, nicht direkt von höheren US-Zöllen betroffen wäre, bekäme sie die Auswirkungen zu spüren. China würde mit seinen nicht in den USA absetzbaren Waren Europa überschwemmen. Ein Handelskrieg, bei dem es nur Verlierer gäbe, wäre wohl die Folge. Exportorientierte Länder wie Deutschland wären besonders davon betroffen.
- Steuersenkungen: Wie schon in seiner ersten Amtszeit möchte eine neue Trump-Regierung die Einkommensteuer für Unternehmen weiter reduzieren. Im Raum steht eine Senkung von 21 auf 15 Prozent. Damit soll ein Anreiz für Investitionen geschaffen werden, die wiederum das Wirtschaftswachstum ankurbeln sollen. Der internationale Steuer- und Standortwettbewerb würde sich verschärfen. Für Länder wie Deutschland mit hohen Unternehmenssteuersätzen drohte eine weitere Abwanderung industrieller Fertigungskapazitäten.
- Die Folge: Ausweitung der Staatsverschuldung: Ausgabenkürzungen wurden bislang nicht angekündigt. Sinkende Steuereinnahmen bei konstanten oder gar steigenden Staatsausgaben treiben jedoch das Staatsdefizit weiter in die Höhe. Schon heute ist der amerikanische Staat mit der unvorstellbaren Summe von 35 Billionen US-Dollar verschuldet. Dies entspricht mehr als 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Fast 700 Mrd. US-Dollar an jährlichen Zinszahlungen sind darauf fällig. Steigende Zolleinnahmen sind in diesem Zusammenhang bestenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein. Spannend dürfte sein, wie lange die Anleihemärkte steigende US-Defizite achselzuckend hinnehmen.
Eines scheint als Folge dieses Policy-Mix aber unvermeidlich: Eine erneute Zunahme des Inflationsdrucks. Höhere Importzölle werden sich in steigenden Preisen niederschlagen. Sei es, weil die US-Verbraucher mehr für eingeführte Waren (z.B. Autos) bezahlen müssen oder auf teurere inländische Produkte ausweichen, sei es, weil US-Unternehmen mehr für importierte Vorleistungen ausgeben müssen und diesen Kostendruck an ihre Endkunden weitergeben. Gleichzeitig wird durch die Steuersenkungen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage angekurbelt, die für sich genommen ebenfalls inflationstreibend wirkt. Es droht mithin ein perfekter Sturm, eine Kombination aus Angebots- und Nachfrageinflation.
Aus europäischer Sicht könnte man sich jetzt zurücklehnen und darauf setzen, dass die US-Notenbank ihren Job macht und mit Zinserhöhungen dem Inflationsdruck entgegenwirkt. Der Dollar würde etwa gegenüber dem Euro aufwerten und den Folgen der protektionistischen US-Außenwirtschaftspolitik entgegenwirken, da bei einem stärkeren US-Dollar Exporte in Richtung USA erleichtert werden würden.
Jeder, der sich auf dieses Szenario verlässt, könnte die Rechnung ohne den Wirt, sprich Donald Trump, gemacht haben. Wer sich den Supreme Court gefügig macht, Wahlergebnisse nicht anerkennt und auch sonst keine Hemmungen im Hinblick auf bewährte Institutionen hat, dürfte auch nicht davor zurückschrecken, die Autonomie der Federal Reserve Bank auszuhöhlen. Spätestens wenn 2026 die Amtszeit des derzeitigen FED-Präsidenten Jerome Powell endet, dürften die Trump ergebenen Republikaner ihren Zugriff auf die Geldpolitik verstärken. Hohe Zinsen und ein starker US-Dollar sind im Hinblick auf das Doppeldefizit in der Handelsbilanz und im Staatshaushalt aus Ihrer Sicht geradezu fatal. Stattdessen wünschen sie sich niedrigere Zinsen und Geldmengenausweitungen. Dies dürfte zwar kurzfristig die Konjunktur anfeuern, aber um den Preis steigender Inflation und eines schwächeren Dollar. Das globale Währungsgefüge käme unter Druck mit unübersehbaren Folgen für Handel, Wachstum und Finanzmärkte.
Angesichts dessen sollten sich die Europäer und speziell die Deutschen warm anziehen. Nachdem die letzten dreieinhalb Jahre wirtschaftspolitisch weitgehend vergeudet wurden, ist es höchste Zeit, eigene Wachstumspotenziale zu heben. Allein mir fehlt der Glaube…