Die Weihnachtswerbung der Lebensmitteleinzelhändler ist längst zum Pflichtprogramm geworden. Kein Jahr kann enden ohne die emotionalen Werbespots der Händler am Jahresende.
Näher betrachtet werden daher in diesem Artikel die Werbespots von Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Penny und Rewe (alphabetische Reihenfolge!) und dies für die Jahre 2021, 2022, 2023 und das aktuelle Jahr. Für die Unternehmen sind das keine Jahre ohne Brisanz, denn diese wenigen Jahre sind geprägt von der Corona-Pandemie, von dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und dann auch im Nahen Osten, von Energieknappheit, Inflation, einer nachlassenden Wirtschaft und steigenden Arbeitslosigkeit, von Regenmangel und Überschwemmungen im Ahrtal wie auch in Spanien, von Waldbränden und Hitzerekorden, von einer Wahl in den USA und einer zerbrochenen Koalition in Berlin. Ein großer Edeka-Kaufmann aus Südbaden meinte dazu, das er solche Zeiten in seiner 40-jährigen Karriere noch nicht erlebt habe. Wie gehen daher die Händler mit diesem Szenario im Hinblick auf die Weihnachtswerbung um? Sind die Videos damit ein Teil der reinen Imagewerbung und befördern hauptsächlich Emotionen? Wie stehen die Werbungen im Zusammenhang mit dem Kern der jeweiligen Marke, also passen sie zum Händler?
Aldi
2021 bringt Aldi einen sehr emotionalen Spot über einen alleinerziehenden Vater, der als Busfahrer auch an Weihnachten arbeiten muss und dessen rebellierender Teenagersohn daher alleine ist. Dunkle Farben, eindringliche Musik in Moll, aber am Ende essen Vater und Sohn zusammen im Bus. Ein Film mit einer guten Geschichte, aber ein Bezug zu Aldi ist nicht gegeben. Ganz anders der Film aus dem Jahr 2022, bei dem Menschen aus blauen Aldi-Taschen allerlei Wunder wie komplett geschmückte Weihnachtsbäume zaubern. Dies ist -auch musikalisch- ein Hommage an Merlin in „the sword in the stone“, der in dem Film von 1963 auch seinen Hausrat in und aus seiner Tasche zaubern kann. Im Werbespot ist das Aldi-Logo zentral und die Menschen essen gemeinsam! 2023 ist der Spot eine Zusammenstellung von gutgelaunten Erwachsenen, die sich in kindlicher Weise auf Weihnachten freuen und die auch viel essen und trinken. 2024 gibt es zum einen den Spot aus der Schweiz, der wiederum ein alleinerziehendes Elternteil zeigt, dieses Mal eine Mutter, die zerrissen von den Pflichten leidet. In schönen Bildern und mit typischer Weihnachtsmusik wird hier die kleine Tochter gezeigt, die durch einen Wunschzettel realisiert, dass Weihnachten mit Nachbarn zu einem gelungenen Fest wird. Auch hier gibt es keinen echten Bezug zu Aldi. Ganz anders der britische Spot mit Kevin the Carrot, bei dem in der Art von Mission Impossible und in Reimform wie bei Dr. Seuss das Weihnachtsfest gerettet wird und bei dem sich am Ende die Tische unter den weihnachtlichen Köstlichkeiten (von Aldi?) biegen. Noch mehr im Zentrum sind die Aldi-Produkte in dem deutschen Spot mit Menschen, die die Aldi-Produkte essen und dann vor Freude anfangen zu singen: am Schalter der Behörde, im Hörsaal oder an der Bushaltestelle.
Edeka
Edeka startet 2021 mit einem traurigen Zeichentrick-Spot ohne Happy-End: ein Regentropfen möchte als Schneeflocke zur Erde fliegen, aber die Temperaturen sind zu hoch und das Weihnachtsfestmahl findet daher im Regen statt. Der Bezug zum Handel ist nicht gegeben. Der Spot von 2022 startet auch traurig, denn die Gäste für die Weihnachtsfeier sagen nacheinander alle ab. Aber dann kommt die Wendung und die Mutter mit ihrer Tochter gehen im Edeka (!) einkaufen und bringen das Festmahl zur Feuerwehr, wo dann der Film mit einem gemeinsamen Essen endet. 2023 wird der Werbespot noch unbeschwerter, denn das Motto des Spots ist „Hm!“. Gutgelaunte Kunden kaufen köstliche Produkte in Edekamärkten und essen sie dann im Kreise der Familie. Der Spot von 2024 ist ein Video voller Selbstironie und damit das Lieblingsvideo der Autorin. Er spielt komplett in einer Edeka-Filiale: der neue Mitarbeiter krempelt voller Elan die Filiale um und füllt unter anderem die Fleischtheke mit absurden Mengen an Würstchen, setzt einen älteren Kunden als Weihnachtsmann ein und verkleidet Mitarbeiter als Kamel. Auch dieser Spot endet mit einem gemeinsamen Essen, diese Mal im Pausenraum der Filiale. So sehr die Edeka auch das Thema Nachhaltigkeit betreibt: an Weihnachten gibt es noch jede Menge Fleisch!
Kaufland
2021 startet Kaufland mit einem Spot mit einer Familie, die in einem Wohnzimmer vor einem Kamin ein Fragespiel durchführt und bei dem alle Familienmitglieder die roten-weißen Kaufland Weihnachtspullover tragen. Das gesuchte Wort im Spiel ist Kaufland! Der Spot von 2022 heißt „der Zaun“ und zeigt ein gänzlich anderes Bild: ein modernes Romeo und Julia, die durch die Eltern voneinander getrennt werden sollen, aber die durch den Zaun hindurch den Kontakt halten. Der Spot hat keinen Bezug zu Kaufland, aber dafür ein Happy End, bei dem der Zaun wieder eingerissen wird und am Ende essen alle gemeinsam. Fragen muss man sich bei beiden Filmen, warum so ein starkes US-amerikanisches Setting gewählt wird. 2023 zeigt der Spot eine gutgelaunte Mutter, die bei Kaufland einkauft und dann mit der Familie unter anderem den Gänsebraten ißt. Ein Wiedersehen gibt es mit den roten Pullis, die aber dieses Mal nur die Kinder tragen. Die Pullover sind auch in dem zweiten Spot von 2023 zu sehen, bei denen ein etwas begriffsstutziger Mann an der Kasse von Kaufland die Vorteile der Kaufland Card erläutert bekommt. Beide Spots haben einen klaren Bezug zu Kaufland. Für 2024 ist aktuell noch kein neues Video zu finden und die Homepage von Kaufland verweist unter aktuellem Datum noch auf die Bilder von 2023.
Lidl
2021 startet Lidl mit einem Spot über „Arnold“. Die Figur Arnold schreibt Drehbücher zu hochemotionalen Werbespots und arbeitet für „all die“, die teure Preise bei den Kunden durchsetzen wollen. Es ist ein absurder Film mit viel Dramatik und Witz und einer Retterin für Arnold und für Weihnachten in Form einer Lidl-Mitarbeiterin. Der Film endet an der Kasse von Lidl. Viel „harmloser“ ist dagegen der Spot von 2022, bei der den Kunden eine entspannte Weihnachtszeit gewünscht wird und bei der ein sehr bärtiger Mann mit langen Haaren sehr entspannt die Weihnachtskäufe tätigt und dann seine Familie verköstigt. 2023 gibt es von Lidl ein erstes Weihnachtsmärchen mit einem Film über einen Waschbären, der das Kuscheltier eines Kindes zurückbringt und damit das Kind und die Familie sehr glücklich macht. Auch diese Geschichte endet mit dem Festmahl der Familie, nur das hier in der Schlussszene der Hund und der Waschbär draußen vereint fressen. 2024 kommt das nächste Weihnachtsmärchen von Lidl mit einem Mädchen, das ein Glöckchen geschenkt bekommt, mit dessen Hilfe gezaubert werden kann. Wie beim Fischer und seiner Frau werden die Wünsche immer größer und absurder, aber ganz am Ende zaubert das Mädchen die vielen Dinge zu bedürftigen Menschen. Beide Filme sind gut gemacht und haben eine emotionale Story, viel Bezug zu Lidl haben sie allerdings nicht. (Trivia: der aktuelle Film wurde von einem britischen Team erstellt und in den Medien gibt es zahlreiche Meldungen über die Ähnlichkeit der jungen Schauspielerin zu einer britischen Prinzessin.) Bemerkenswert ist, dass sich Lidl entschieden hat, eine Kampagne für alle Länder zu fahren, während Aldi durchaus unterschiedliche Spots für die einzelnen Länder dreht.
Penny
Penny hat sich entschieden, emotional aufrüttelnde Filme als Werbekampagne zu drehen und startet 2021 mit einem Film über eine Mutter, die sich in der Pandemie wünscht, einen rebellischen Sohn zu haben, der das Leben genießt, während sich der Sohn in der Pandemie nur zu Hause aufhält. Der Film hat keinen Bezug zum Lebensmitteleinzelhandel oder zu Penny, aber hat die Problematik junger Menschen in der Pandemie sehr gut getroffen. 2022 bringt Penny den Film „der Riss“ heraus, der die Probleme der Zeit thematisiert und bei dem die Welt buchstäblich zerspringt wie die Risse in der Brille der Protagonistin, der aber doch mit einem Gesprächsangebot versöhnlich endet. 2023 fokussiert sich Penny in seinem Spot auf die Bedürfnisse und Sorgen von Kindern im Hinblick auf die Zukunft, die Kinder werden in dem Film gehört und deren Sorgen werden dargestellt. Im aktuellen Spot von Penny geht es noch einmal um Kinder, aber diese Mal um die Probleme, die die Kinder in ihrem privaten Umfeld haben: wie ein krebskrankes Kind, ein vom Sport ausgeschlossener Junge, ein behindertes Mädchen. Der Film endet sehr versöhnlich mit Angeboten an die Kinder. In der Gesamtheit der Filme ist Penny als Ausnahmeerscheinung zu werten. Penny war aber auch der Händler, der sich bei True Costs engagiert hat. Dabei wurden gemeinsam mit der Uni Greifswald und der Technischen Hochschule Nürnberg die „wahren“ Kosten von Lebensmitteln nicht nur berechnet, sondern eine Woche lang auch bepreist.
Rewe
Rewe startet 2021 mit einem Film über einen kleinen Jungen, dessen Mutter mit den Weihnachtsvorbereitungen so beschäftigt ist, dass sie keine Zeit für ihn hat. Dann gehen sie zum Einkaufen und sind jedoch überraschenderweise auf dem Weihnachtsmarkt, weil die Mutter bereits bei Rewe online bestellt hat und daher Zeit hat. Der Film ist Werbung für das E-Food-Geschäft und damit der einzige Spot über dieses Thema. 2022 hat Rewe einen Spot, bei dem ein alte Dame einkauft und dann gemeinsam mit ihrem Mann ein Essen mit der „feinen Welt“ von Rewe genießt. Umrahmt wird der Film zudem von vielen Szenen, bei denen Menschen sich mit „feinen“ Gesten das Leben leichter machen: eine Kombination von Werbung und der Weihnachtsbotschaft von Mitmenschlichkeit. Dieses Jahr präsentiert Rewe einen Film mit flotter Musik und vielen Menschen, die gemeinsam backen, kochen, essen und dafür einkaufen und damit also: wenig Botschaft und viel Werbung.
Klimawandel, Pandemie, Vereinsamung: die Spots greifen viele Themen auf und sind keineswegs nur reine Werbefilme. Die Politik und insbesondere den Krieg thematisiert jedoch nur Penny.
Eine Botschaft wollen fast alle Spots weitergeben: Essen gemeinsam ist wichtig, denn ein festlich gedeckter Tisch mit fröhlichen Menschen ist in einem Großteil der Filme das Schlussbild. Und dieses Essen sollen wir wo kaufen? – bei dem jeweiligen Händler!
Quellen:
https://www.youtube.com/watch?v=F02GslccFPc
https://www.youtube.com/watch?v=z2jbbHrlIkY
https://www.youtube.com/watch?v=dJ1vQesB9hk
https://youtu.be/iPOKdg7R_9c?t=57
https://www.youtube.com/watch?v=HVsydpGdGPY
https://www.youtube.com/watch?v=bahWtpQ6eKs
https://www.youtube.com/watch?v=rtuYow_B-Lo
https://www.youtube.com/watch?v=ZP85jbiJJnY
https://www.youtube.com/watch?v=rtuYow_B-Lo&t=37s
https://www.house-of-communication.com/de/de/cases/penny-the-rift.html
https://www.penny.de/presse/pressemeldung_wahre–kosten-310723