2023 jährt sich die Hyperinflation in Deutschland zum hundertsten Mal. Diese wirtschaftliche Urkatastrophe ist tief im kollektiven Gedächtnis der hiesigen Bevölkerung verankert. Die heute noch ausgeprägte Inflationsangst hierzulande – gerade auch im Vergleich zu anderen Ländern – lässt sich nur vor diesem historischen Hintergrund erklären. Es erscheint manchem wie ein Wink des Schicksals, dass zum hundertjährigen Jubiläum die Inflationsrate auf das höchste Niveau seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland geklettert ist. Angesichts dessen lohnt sich ein Blick zurück auf die verschiedenen Ursachen und Erklärungen für die Hyperinflation in der Weimarer Republik.
Die deutsche Kriegsfinanzierung 1914 – 1918
Bis 1914 war die umlaufende Geldmenge in Deutschland durch Goldbestände bei der Reichsbank (zu einem Drittel) gedeckt. Die Mark war nach innen und außen eine wertstabile Währung. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurden die Golddeckung aufgehoben und die Reichsregierung bekam dadurch unmittelbaren Zugriff auf die Banknotenpresse. Da die Steuergewalt zu dieser Zeit fast ausschließlich bei den Ländern lag, bediente sich die Zentralregierung zur Finanzierung der Kriegsausgaben zu ca. einem Drittel der Geldnotenpresse und zu zwei Dritteln der Ausgabe von Kriegsanleihen, also durch Kreditaufnahme. Die Zentralbankgeldmenge erhöhte sich im Verlauf des Krieges um mehr als das 10fache, während die Preise deutlich weniger stiegen. Dass sich die steigende Geldmenge nicht stärker in den Preisen niederschlug, hatte einen einfachen Grund: Die Reichsregierung hatte eine Vielzahl von Höchstpreisverordnungen erlassen, die den allgemeinen Preisanstieg zwar begrenzten, auf der anderen Seite aber zu massiven Angebotsverknappungen führten. Aufgrund der erzwungenen Kassenhaltung nahmen die Spareinlagen der Einkommensbezieher stark zu.
Hohe Staatsausgaben in der Nachkriegszeit
Wie alle kriegsbeteiligten Länder hatte Deutschland darauf gesetzt, die durch den Krieg entstandenen wirtschaftlichen Lasten den unterlegenen Feinden aufzuerlegen. Doch es kam bekanntlich anders. Im Rahmen der Versailler Verträge wurde Deutschland verpflichtet, Gebiete abzutreten und Reparationszahlungen an die Siegermächte zu leisten. Die ökonomische Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wurde erheblich gemindert. Auf der anderen Seite war der Staat mit steigenden Ausgaben für den Schuldendienst, die Demobilisierung von Millionen Frontsoldaten und erhöhten Sozialausgaben konfrontiert. Die Steuereinnahmen blieben weit hinter den Ausgaben zurück, sodass der Staat weiterhin die Notenpresse in Anspruch nehmen musste. Da die Reichsbank nicht unabhängig war, konnte sie sich dem Ansinnen der Regierung nicht entgegenstellen.
Abwertung der Mark nach Aufgabe der Kapitalverkehrskontrollen
Die während des Krieges eingeführte Kontrolle des Devisenhandels wurde 1919 außer Kraft gesetzt. Infolgedessen wertete die Mark vor allem gegenüber dem Dollar massiv ab. Dies half zunächst, die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschland zu verbessern. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung des Mark-Außenwerts kam es ab 1921 nach Festlegung der Reparationszahlungen zu einer massiven Kapitalflucht aus Deutschland. Mithilfe von Devisenmarktinterventionen versuchte die Reichsbank zwar noch entgegenzusteuern, doch aufgrund von begrenzten Devisenreserven war dies zum Scheitern verurteilt. Der Wechselkurs lief daraufhin völlig aus dem Ruder und trug damit zur Explosion der Inflation im Jahr 1923 bei.
Die Hyperinflation des Jahres 1923
1923 erreichte die Inflation ihren traurigen Höhepunkt. Zu Beginn des Jahres hatten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet besetzt, nachdem Deutschland aus ihrer Sicht seinen Reparationsverpflichtungen nicht ausreichend nachkam. Die Reichsregierung rief daraufhin die Arbeiter zum passiven Widerstand auf. Ihre wegfallenden Löhne wurden ihnen von der Regierung ersetzt. Finanziert wurden die hohen Ausgaben größtenteils durch die Notenpresse. Gepaart mit starken Produktionsausfällen ließ dies die Preise immer stärker nach oben schießen. Die Unternehmen gingen im Jahresverlauf zu täglicher Lohnzahlung über. Geldscheine wurden aufgrund von Engpässen bei den Notenpressen nur noch einseitig bedruckt.
Die Folgen: Enteignung weiter Schichten der Gesellschaft
Da die Nominallöhne nicht mit der Inflation Schritt hielten, gaben die Reallöhne der Arbeiter deutlich nach. Verglichen mit 1913 lagen zum Beispiele die Reallöhne von gelernten Eisenbahnarbeitern 1923 nur noch knapp bei der Hälfte. Eine Verarmung der Arbeiterschicht war die Folge.
Noch dramatischer waren die Verluste bei Geldvermögen. Über viele Jahre aufgebaute Ersparnisse vor allem von der bürgerlichen Mittelschicht wurden im Zuge der Hyperinflation praktisch wertlos. Demgegenüber waren Schuldner und Besitzer von Sachverwerten Profiteure der Inflation. Unkontrollierte Vermögensumverteilungen waren die Folge.
Angesichts dieser dramatischen Entwicklungen verloren vor allem große Teile der Mittelschicht ihr Vertrauen in den Staat. Zusammen mit den als demütigend empfundenen Reparationszahlungen bereitete die Hyperinflation den Boden für den Aufstieg und die spätere Machtübernahme durch die Nationalsozialisten.