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Handels

Mikroökonomische Praxis: Mindestpreise und Zölle bei Weizen

von Prof. Dr. Oliver Letzgus
02.04.2024

Der Weltmarktpreis für Weizen ist zuletzt deutlich gesunken. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine lag er im Frühjahr 2022 in der Spitze bei gut 400 Euro pro Tonne. Bis März 2023 ist er auf 250 Euro pro Tonne gesunken, inzwischen liegt er bei ca. 200 Euro pro Tonne. In Zeiten, in denen die Bevölkerung durch Inflation und Reallohnrückgänge belastet wird, sollte dieser Preisverfall eine gute Nachricht sein und von allen begrüßt werden. Also alles gut?

Es regt sich jedoch Widerstand. Die Bauernverbände richten die Forderung an die Politik, die Weizenpreise durch regulatorische Maßnahmen zu erhöhen. Und sie scheinen auf offene Ohren zu stoßen. Sie haben richtig verstanden: Während Energiepreise durch Milliardensubventionen für Haushalte und Industrie künstlich verringert werden, sollen sie bei Weizen künstlich erhöht werden.

Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die europäische Agrarordnung. Diese hat nicht das Ziel, den Haushalten günstige Lebensmittel zu verschaffen, sondern den Landwirten der EU „angemessene Mindesteinkünfte“ zu garantieren. Zu diesem Zweck gibt es Mindestpreise („Interventionspreise“), unter die die Marktpreise in der EU nicht sinken dürfen. Liegt der Weltmarktpreis unter dem in der EU geltenden Mindestpreis, sorgen Einfuhrzölle dafür, dass die heimische Weizenproduktion nicht durch Importe verdrängt wird.

Um die Ukraine nach der russischen Intervention wirtschaftlich zu unterstützen, wurden von der EU unter anderem die Zölle auf Weizenimporte aus diesem Land ausgesetzt. Die Ukraine gehört zu den Hauptanbauländern für Getreide. Mit einem Beschluss des Europäischen Parlaments vom 13. März 2024 wurde diese Zollbefreiung bis Juni 2025 verlängert. Allerdings wurde die Zollfreiheit auf Höchstmengen begrenzt, Diese liegt bei Weizenimporten bei zwei Millionen Tonnen. Bei einem Überschreiten greift ein Schutzzoll von 95 Euro pro Tonne Weizen.

Wie könnte ein Ausweg aus diesem Dilemma aussehen, also einerseits der Ukraine via erleichterten Handelsbedingungen ökonomisch zu helfen (und damit die EU-Hilfszahlungen tendenziell zu verringern) sowie den Verbrauchern billigen Weizen zu verschaffen und andererseits den EU-Landwirten keine hohen Einkommenseinbußen zuzumuten? Die Proteste der besonders von ukrainischen Weizenexporten betroffenen polnischen Bauern zeigen, welches Konfliktpotenzial darin steckt.

Es ist auch schwer zu begründen, warum gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie „Unterstützung der Ukraine“ von einer relativ kleinen Bevölkerungsgruppe wie den Landwirten einseitig getragen werden soll. Widerstand ist deshalb vorprogrammiert.

Ein Ausweg könnte sein, den günstigen Weizen aus der Ukraine unbegrenzt in die EU zu importieren, um damit dem leidgeplagten Land zu helfen und im Nebeneffekt die Preise für die Endkunden hierzulande zu verringern, aber gleichzeitig die Einkommensausfälle der Landwirte durch direkte Beihilfen („Einkommenstransfers“) zu kompensieren. Zwar wären dafür entweder Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen an anderer Stelle erforderlich. Die Finanzierung der Ukrainehilfe wäre aber auf jeden Fall auf eine breitere Basis gestellt und damit gerechter als bei einer einseitigen Belastung der Landwirte durch Billigimporte. Mindestpreise und Zölle sind jedenfalls keine ökonomisch sinnvolle Lösung, weil sie von Marktverzerrungen begleitet sind und damit gesamtwirtschaftlich schädlich.

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