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Handels

Neue Preise von Tchibo läuten eine Preiserhöhungswelle ein bei Kaffee

von Prof. Dr. Carsten Kortum
15.04.2024

Der Hamburger Großröster Tchibo verlangt ab heute, dem 15. April 2024, mehr Geld für seine Röstkaffees. Tchibo läutet damit eine neue Preisrunde bei Röstkaffee ein. Der Marktführer erhöht die Preise pro Pfund über das ganze Kaffeesortiment, bei den Klassikern „Feine Milde“ gemahlen und bei „Cafe Crema ganze Bohne“ um genau 1 Euro.

 

Der Wettbewerb bei Hersteller- und Eigenmarken dürfte dem Signal des Marktführers folgen. Tchibo gilt im Markt auch als Preisführer, das bedeutet nicht, dass Tchibo am günstigsten ist, sondern Höhe und Zeitpunkt von Preisveränderungen vorgibt. Unternehmen mit einer dominanten Marktstellung haben mit ihrer Preissetzung Auswirkungen auf die Preissetzung anderer Unternehmen, den Preisfolgern.[1] In der Branche wird erwartet, dass die Wettbewerber die Preiserhöhungen des Marktführers auch in diesem Jahr genau beobachten und entsprechend nachziehen.

 

Die letzte Preiserhöhungsaktion bei Kaffee liegt über 2 Jahre zurück. Im Februar 2022 hatte Tchibo die Preise je nach Sorte und Marke 50 Cent bis zu 1,30 erhöht. Die Wettbewerber Dallmeyer, Melitta und Darboven folgten entsprechend.[2]

 

Die Preiserhöhung für die Produkte der Marken Tchibo und Eduscho begründet das Unternehmen mit weiter gestiegenen Kosten, etwa für Rohstoffpreise bei bewährten Qualitäten und Kosten im Handel. Der Kaffeepreis hat sich an den Börsen in den letzten 6 Monaten um 43,5% erhöht, auf Jahressicht immerhin auch noch um 15,4%. Die Rohstoffpreise haben sich für 1 lbs = 453,6g gegenüber dem Jahrestief im Oktober somit bis heute um 78,3 Cent erhöht.[3] Da bei der Röstung vom Rohkaffee den Bohnen die Restfeuchtigkeit entzogen wird, verliert Kaffee an Gewicht, bei Filterkaffee 15-18%, bei Espresso aufgrund der längeren Röstung sogar 18-24%.[4] Um diesen Faktor korrigiert, führen alleine die Rohstoffpreiserhöhungen der letzten 6 Monate zu einer Preiserhöhung von knapp über 1 Euro bei Filterkaffee. Die steigenden Rohstoffpreise führen immer erst mit einer zeitlichen Verzögerung zu steigenden Preisen am Regal, da eine zeitliche Absicherung von Mengen und Preisen über Warentermingeschäfte an den Börsen erfolgt. Die täglichen Schwankungen sind eher gering, auf Monatssicht gibt es jedoch schon nennenswerte Veränderungen, die aber am Regal meist nicht unmittelbar sichtbar sind.

 

Tchibo ist damit der einzige Anbieter bei Lebensmitteln, der Preiserhöhungen mit Vorlauf ankündigt und begründet. Dadurch wird versucht, das Preisvertrauen der Kunden positiv zu beeinflussen. Dieses wird durch Preistransparenz und Preiszuverlässigkeit determiniert. Unerwartete negativ wahrgenommene Preisüberraschungen sollen vermieden werden. Der erwartete Preis entspricht nach der Preiserhöhung dem tatsächlichen Preis und es entstehen keine Dissonanzen. Opportunistisches, einseitig eigennütziges Verhalten wird nicht gesehen. Die Informationsasymmetrien bei der Kaufsituation führen zu Unsicherheiten (der Kunden kennt die Rohstoffpreise ja nicht). Daher sind die Kunden auf das Vertrauen der Anbieter angewiesen. Ferner werden die Ursachen der Erhöhung nicht beim Anbieter, in diesem Fall Tchibo, gesehen. Da Tchibo bereits frühere Preiserhöhungsrunden angekündigt hatte, ist hier von einer die Preisfairness fördernden Konsistenz auszugehen. In der Aktion mit den Kunden gibt es bei Tchibo ungeschriebene Grundsätze: Keine Erhöhung ohne Ankündigung.[5]

 

Vor der Preiserhöhung gab es in der letzten Woche noch Preisaktionen bei verschieden Sorten um 1.- Euro je Pfund. Tchibo versucht von dem Ankündigungseffekt der Preiserhöhung zu profitieren und kurzfristig seinen Marktanteil zu erhöhen. Anfang 2024 sind die Umsätze bei Kaffeeprodukten nach einem schwachen Start im Januar und einer leichten Erholung im Februar nicht auf Vorjahresniveau. Der klassische Röstkaffe hat sogar zweistellig verloren an Absatz und Umsatz.[6]

 

Kaffee wird zum großen Teil in Promotions gekauft und lässt sich gut lagern. Der Konsum der Haushalte erfolgt somit teilweise aus der Lagerhaltung aus Aktionen. Hier spricht man vom Carry-Over-Effekt oder Vorratseffekt von Sonderangeboten.[7] In diesem Fall ist der Effekt deutlich negativ einzuschätzen. Tchibo wird in den nächsten Wochen niedrigere Umsätze bei Kaffee erzielen.

 
Tchibo 2 1
Abb.2: Preispromotions am 13.4.24 bei REWE

Der Lebensmittelhandel verkauft im Ostergeschäft traditionell Kaffee mit besonders aggressiven Preisnachlässen. So verkaufte z.B. Kaufland die 500-Gramm-Packung Dallmayr Prodomo vor Ostern im Angebot für 4,19 Euro – der normale Regalpreis liegt bei 7,49 Euro.[8] Diese Woche liegt Prodomo dagegen in der Aktion mit 5,49 Euro bei der REWE schon wesentlich höher.[9] Es erhöhen sich also auch die Aktionspreise.

 

 

Titelbild: Kaffeeregal von Tchibo mit Ankündigung der Preiserhöhung bei REWE, eigene Aufnahme

 

 

[1] Vgl. Siems, Preismanagement, S.55, 2009

[2] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/industrie/nachrichten/kaffee-tchibo-kuendigt-preiserhoehung-an-176959

[3] Vgl. https://www.boerse-frankfurt.de/rohstoff/kaffeepreis

[4] Vgl. https://www.mounthagen.de/kaffeekultur/enzyklopaedie/kaffeeproduktion/roestverlust/

[5] Vgl. Siems, Preismanagement, S.247f., 2009; Diller, Preispolitik, S.162-167, 2008

[6] Vgl. https://www.gfk.com/hubfs/Consumer%20Index/CI_02_2024.pdf?__hstc=13953512.543914b6239c76a17284ba3765f08a79.1701943849569.1709829044477.1713171544580.5&__

hssc=13953512.1.1713171544580&__hsfp=1570630130

[7] Vgl. Siems, Preismanagement, S.172f., 2009

[8] Vgl. https://www.lebensmittelzeitung.net/industrie/nachrichten/kaffee-tchibo-kuendigt-preiserhoehung-an-176959

[9] Vgl. https://www.rewe.de/angebote/neumuenster/830866/rewe-markt-gaensemarkt-1/?ecid=sea_google_vs_brands_rewe%7Cak%7Cenga%7Cn%7Cbr_rewe-prospekt_text-ad_823563045_125757747738_kw%3Arewe+prospekt_mt%3Ae_cr%3A534060651304_d%3Ac&week=current#4047826

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