Das Wort „Gaspreisbremse“ ist einer dieser politischen Begriffe, die mehr verschleiern als dass sie Klarheit bringen. Zwar stehen die Details dieses Konzepts zu dem Zeitpunkt (6.10.2022), an dem ich diesen Blog verfasse, noch nicht fest, die Eckdaten sind aber schon bekannt. Die privaten Haushalte (wie auch die Unternehmen) sollen eine vorgegebene Menge an Gas zu einem staatlich festgesetzten Preis erhalten, der deutlich unter dem Marktpreis liegt. Darüber hinaus gehende Mengen müssen von den privaten Verbrauchern zum gerade herrschenden Marktpreis erworben werden, damit ein gewisser Anreiz zur Einschränkung des Verbrauchs gegeben ist.
Ich will es einmal aus anderer Perspektive formulieren. Der deutsche Staat hängt ein Schild vor die Tür, auf dem steht folgendes: Kaufe Erdgas in beliebiger Menge zu jedem Preis. Meine finanziellen Mittel sind unbegrenzt (um es genau zu sagen, sie belaufen sich auf 200 Mrd. Euro). Der Preis am Gasmarkt wird also mitnichten begrenzt oder gebremst. Ganz im Gegenteil: Diese Ankündigung der deutschen Regierung ist eine Einladung an jeden Verkäufer, die Preise weiter anzuheben. Und da Verkäufer immer an denjenigen verkaufen, der den höchsten Preis zu bezahlen bereit ist, geht das gesamte Preisniveau am Gasmarkt nach oben. Daher überrascht es auch nicht, dass andere EU-Länder über diesen nicht abgestimmten deutschen Vorstoß alles andere als begeistert sind, da auch sie unter den steigenden Gaspreisen zu leiden haben werden.
Der Staat gibt dann das teuer erworbene Gas mit einem erheblichen Preisabschlag an die privaten Nachfrager weiter, die so weitgehend von den Widrigkeiten des Marktes abgeschirmt werden sollen. Es handelt sich also um keinen Preisdeckel, wie ihn Studierende im Zusammenhang mit Preisobergrenzen kennengelernt haben, sondern schlichtweg um eine Subvention des Gasverbrauchs.
Die Differenz zwischen dem Marktpreis und dem von den Verbrauchern zu zahlenden Preis übernimmt der Staat. Wie erwähnt hat die Bundesregierung dafür 200 Mrd. Euro bereitgestellt. Da der Staat diese 200 Mrd. Euro nicht hat, muss er dafür Schulden machen – auch wenn sie nicht so heißen dürfen, weil sonst die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse (schon wieder eine „Bremse“) verletzt wird.
Dazu ein kleines Rechenexempel: Angenommen, der deutsche Staat gibt die 200 Mrd. Euro komplett aus und muss hierfür vier Prozent Zinsen bezahlen, was bei zehnjährigen Bundesanleihen langfristig als realistischer Wert erscheint, so entstehen ihm zukünftig jährliche Mehrausgaben allein für Zinsen von 8 Mrd. Euro, ohne dass auch nur ein Euro zurückbezahlt wird. Da die angespannte Lage am Gasmarkt nach Expertenmeinung aber noch mindestens ein weiteres Jahr anhalten wird, ist eine Verdoppelung der zusätzlichen Zinsausgaben durchaus im Bereich des Möglichen.
Es soll mit diesem Beitrag nicht der Eindruck erweckt werden, dass Hilfen für von Gas abhängige Haushalte und Unternehmen falsch seien. Sie sind unumgänglich. Es gibt sie gleichwohl nicht umsonst, wie die Politik manchmal glauben lassen will. Irgendjemand muss die Rechnung bezahlen. Bedenkenswert wäre deshalb, ob nicht Direktzahlungen an bedürftige Unternehmen und Haushalte zielgenauer und günstiger wären statt mit großer Keule unmittelbar in den Marktmechanismus einzugreifen und möglicherweise erhebliche Mitnahmeeffekte auszulösen. Das vorliegende Konzept der so genannten Gaspreisbremse wird für den Staat auf jeden Fall sehr teuer.
Die vergangene Woche hat unterdessen eindrucksvoll gezeigt, welche Turbulenzen bereits die Ankündigung einer unseriösen Finanzpolitik verursachen kann. Nachdem die neu gewählte britische Premierministern Liz Truss weitreichende Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung ankündigte, rauschte das Britische Pfund an den Devisenmärkten in den Keller. An den Anleihemärkten erhöhten sich die Zinsen binnen eines Tages um einen ganzen Prozentpunkt auf 4,5 Prozent. Die deutschen Staatsfinanzen sind zwar noch deutlicher solider als die britischen. Nichtsdestotrotz ist auch der deutsche Staat nicht unbegrenzt in der Lage, zusätzliche Ausgaben zu stemmen. Es gilt das abgewandelte Zitat des Ökonomie-Nobelpreisträgers Milton Friedman: „There is no free gas